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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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öffnete sie wieder, und das schwache Leuchten erschien erneut. Fakun arbeitete sich weiter. Hatte sich der Spalt zu Anfang sogar noch verengt, so wurde er nun deutlich breiter. Hinter einer sanften Biegung konnte Fakun schon gehen, ohne mit den Schultern anzustoßen - und dann erweiterte sich der Felsgang zu einem Raum, einer Halle, einem Saal - zu einem Universum im Fels.
    Wie gebannt blieb Fakun stehen. Die Schönheit dieser Höhle ließ ihn verharren, bemächtigte sich seiner, überwältigte ihn.
    In grünlichem Licht schimmernd verlor sich die Decke des zapfenbehangenen Gewölbes schon wenige Schritte vom Eingang entfernt in undurchdringlicher Schwärze. Gerade dadurch schien es, als sei die Weite der Höhle unendlich. Auch die Seitenwände wichen vom Eingang aus in einem gewaltigen Kreisausschnitt zurück und verschwammen schon bald in der Finsternis mit Boden und Decke. Der Boden selbst war bis auf einige Reihen von Stalagmiten vollständig eben, und Fakun schien es, als wollten die Reihen dieser aufrecht stehenden Zapfen seinen Blick noch zusätzlich auf die Quelle des geheimnisvollen Leuchtens hinweisen. - Es kam ihm wie ein Wunder vor.
    In der Mitte der Höhle, oder vielmehr dort, wo man die Mitte vermuten konnte, lag ein nahezu vollständig runder, grün leuchtender Ring von etwa zwanzig Mannslängen Durchmesser auf dem Boden, in dessen Mitte eine gewaltige Öffnung von so erschreckender, undurchdringlichster Schwärze drohte, dass Fakun unwillkürlich einen Schritt zurückwich und nach Halt suchte. Mit mattem Klang brachen die Spitzen zweier Stalagmiten ab.
    Unsicher schaute Fakun auf das gähnende Loch, das, kaum zwanzig Mannslängen entfernt, auf ihn zu lauern schien. Fakun war ein Mann der Steppe. Große Höhen waren ihm unheimlich. Schon in Thedra hatte er sich nicht besonders wohl gefühlt, wenn er über die schmalen, steilen Stufen der Gassen hatte balancieren müssen. - Aber was war das gegen dieses schwarze Ungeheuer gewesen, das da in der Mitte des grünlich leuchtenden Kreises auf ihn wartete und ihn zu verschlingen drohte? Fakun meinte förmlich einen Sog zu spüren, der von diesem gewaltigen Loch in der Erde ausging, der ihn anzog und gleichzeitig all seine Sinne vor Angst erbeben ließ.
    Schau über meinen Rand! schien der Abgrund, dieser Abgrund aller Abgründe, ihm zuzurufen. Komm, und schau in mich hinein! - Krall ruhig deine Finger in das Gestein! - Ich werde dich doch verschlingen! Komm! Komm zu mir hergekrochen, wenn du mich aufrecht stehend nicht erträgst! - Aber glaube nicht, dass du sicher bist vor mir! - Ich habe unsichtbare Ungeheuer in mir, die die unsichtbaren Ungeheuer in dir rufen werden. Sie wollen sich vereinigen und werden dich Handbreit für Handbreit über die Kante ziehen und schieben. Du wirst die Tiefe sehen, die unglaubliche, schreckliche, verlockende Tiefe! - Und dann wirst du fallen - fallen - fallen ...
    "Nein!" Keuchend sank Fakun auf die Knie, schon halb auf dem Weg zu der verlockenden Stimme des Abgrunds. Seine Gedanken rasten wie in wildem Fieber. Er mußte etwas unternehmen um den Bann zu brechen, den Zauber zu zerstören, der ihn anzog um ihn zu vernichten.
    Jetzt schien es gar, als neige sich der Boden auf die Mitte zu! Fakun klammerte sich fest. - Da stieß seine Hand auf eine der abgebrochenen Steinspitzen. Sich mit der Linken an einem starken Stalagmiten festhaltend, holte er mit der Rechten weit aus und schleuderte das Steinstück mitten in die Schwärze des Abgrunds.
    Ein Geräusch klang auf. - Ein heller, unerwarteter Klang. - Was da an Fakuns Ohr drang, war das typische Geräusch, das ein kleiner Stein macht, der auf eine Wasserfläche trifft, nur hier wurde es durch die Wände der Höhle noch um ein Vielfaches verstärkt. Erstaunt riß Fakun die Augen weit auf, und richtig - von der Stelle aus, wo etwa der Stein aufgetroffen sein mußte, liefen jetzt träge kreisförmige Muster zum Rand des – Sees.
    Unsagbar erleichtert ließ Fakun den steinern aufragenden Zapfen los. - Bloß ein See, den Göttern sei Dank! - Es war gar nicht die gähnende Schwärze eines unendlichen Abgrunds gewesen, sondern nur die schwarze Höhlendecke, die sich in der stillen Wasserfläche gespiegelt hatte. Plötzlich nahm Fakun auch wieder andere Geräusche um sich herum wahr. Irgendwo rauschte in der Tiefe des Berges Wasser, einzelne Tropfen lösten sich von den Stalaktiten und zerstoben auf den Spitzen der Stalagmiten, da war die Stimme einer Frau, irgendwo bellte ein Hund

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