Sturm ueber Thedra
eine Schande, dass dieses Wissen einmal erlöschen sollte. Die Welt brauchte ihn, da war er sich ganz sicher. - Und wenn er erst einmal das Geheimnis des ewigen Lebens ergründet hatte, würde er die Zügel wieder in die Hand nehmen, wie er es immer getan hatte.
Zwar vergaß Aganez keineswegs, dass die Welt seit über dreihundertsechzig Jahren hervorragend ohne ihn ausgekommen war, aber dennoch war er sich seines Wertes für die Allgemeinheit sicher. Er hatte noch viel zu geben, und überhaupt - welcher Mensch könnte wohl widerstehen, wenn sich ihm die Chance böte, das wirklich ewige Leben auf dieser Seite des Todes zu erlangen?
Ab und zu knackte es im Gebälk über der finsteren Kammer, in der Aganez lag. Das Dach, das nun langsam von dem Gewicht des darauf lastenden Schnees entlastet wurde, hob sich mit tausenden kleiner Geräusche ein paar Fingerbreit höher. Bald schon würde die Hüterin auftauchen und die Reise würde beginnen. Zwar war der Weg für Aganez jetzt doch länger geworden, als geplant, da er ursprünglich in Wettergrube auf Teri gewartet hatte; aber trotzdem waren auf Grund der dichten Besiedlung die Voraussetzungen sehr viel besser geworden, als zur Zeit seiner ersten Reise. Zwischen Wettergrube und der Bergstadt Stein gab es nun viele kleine Ortschaften, in denen man rasten und die Vorräte ergänzen konnte. In Stein selbst würde Aganez die Ausrüstung überprüfen und dann, ausgeruht und bestens mit Vorräten versehen, in das Große Gebirge aufbrechen.
So lag Aganez schon seit Monaten in der fensterlosen Kammer und gab sich seinen Träumen von Ruhm, Macht und Unsterblichkeit hin. Er ging nur selten aus und ließ sich höchstens einmal am Tag in der Gaststube sehen, um ein wenig zu essen. Die Kraft, die er brauchte, gedachte er aus seinen Meditationen zu ziehen, und wenn seine Träume zu verblassen drohten, schnupfte er ein wenig von dem weißen Pulver, dessen Entdeckung er einem Wandermedizinmann aus Mittelwelt verdankte. Das Pulver gab Kraft und regte den Geist an. Aganez wuchs förmlich über sich hinaus, wenn er davon genommen hatte, und zum Glück besaß er noch einen guten Vorrat davon. - Was ihn anging, er war gerüstet! - Blieb nur zu hoffen, dass auch die Hüterin sich bewähren würde. Aganez hatte da so seine Bedenken.
Teri hatte in den letzten Tagen des Winters ihre Scharkleidung noch einmal gründlich gewaschen und in Ordnung gebracht. Dann hatte sie sich an den Tisch gesetzt und ihre Ausrüstungsgegenstände nach Zweckmäßigkeit sortiert. Der größte Stapel davon waren nutzlos gewordene Dinge, wie ihre Kleidung aus Ago und die Deckelkörbe, die sie in der ersten Nische geflochten hatten. Die eher brauchbaren, aber nicht unbedingt notwendigen Dinge, wie eine kleine Rohrflöte und eine Schilfmatte gegen die Bodenkälte machten den kleinsten Teil aus. Dann kamen die unentbehrlichen Ausrüstungsgegenstände, wie Kochtopf, Wasserflasche, Drillholz und Zunderschwamm - und natürlich zwei wollne Decken und das Fell, das sie einst von Aska geschenkt bekommen hatte.
Ena, die nie um eine Erfindung verlegen war, wenn es um das Wohlergehen ihrer Freunde ging, rückte mit einem Bronzekamm dem Schaf zu Leibe und kämmte dem Tier ein Gutteil loser Wolle aus dem Vlies. Mehrere Handvoll davon breitete sie über eine der Wolldecken und legte die andere flach darauf. Dann machte sie sich daran, die beiden Decken mit Nadel und Faden so zusammenzunähen, dass überall kleine, wollgefüllte Karos entstanden. Der Erfolg lohnte die Mühe. - Als Ena fertig war, war zu aller Entzücken eine große, leichte und sehr warme Decke entstanden, die sich, dank ihrer luftigen Füllung, auf ein wirklich kleines Packmaß bringen ließ. Ena war sehr stolz auf ihr Werk und freute sich, dass Teri nun bestimmt nicht mehr frieren mußte.
Fakun bot Teri den Bogen an, mußte jedoch erfahren, dass er die Waffe bestimmt besser selbst gebrauchen könne, denn immerhin habe er nun für unbestimmte Zeit die Verantwortung für das Kind. Auch alles andere, was Ena und Fakun ihr herbeitrugen und für unentbehrlich hielten, lehnte Teri freundlich aber bestimmt ab. Natürlich freute sie sich sehr, dass die beiden sich so viele Gedanken um ihr Wohlergehen machten, aber sie wollte wirklich nur das Notwendigste mitnehmen. - Schließlich hatte sie vor, so schnell wie möglich zurückzukehren und wollte sich nicht mit Dingen belasten, die zwangsläufig auf das Tempo schlagen mußten.
Dass Teri sich auch standhaft weigerte, die
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