Sturm ueber Thedra
merkte, dass sie ihre Kräfte überschätzt hatte. - Sie würde schnell werden müssen, wenn sie den Aufseher bezwingen wollte! - Da sackte der Mann plötzlich in sich zusammen. Lkeide, die hinter ihm gehockt hatte, war unter dem Karren hindurchgekrochen und ließ nun mit einem bedauernden Schulterzucken den Schlaghandschuh sinken.
Sofort machte Teri sich daran, die Füße des Mannes mit ein paar weiteren Windungen des Seils zu umschlingen, dann nahm sie sich die Hände vor und ruhte nicht, solange noch eine Elle des Stricks frei war. Dabei sah sie kurz auf.
Drei Sklaven standen in einigen Schritt Entfernung vor dem Karren und schauten verwundert auf die seltsame Szenerie, die sich ihren Augen bot. Offenbar waren zwei Frauen und ein Mann in das Lager eingedrungen, hatten den Wächter überwältigt und waren gerade dabei, ihn zu fesseln.
"Was macht ihr da?", fragte einer der Sklaven mit schief gelegtem Kopf. Sein Akzent verriet Teri, dass er aus der Gegend um Osange sein mußte.
"Wir sind Diebe", erklärte Lkeide ihm. Da sie im Moment sowieso nicht gebraucht wurde, stand sie auf und ging zu den Männern hinüber, die einen Schritt weit zurückwichen. "Wir sind gekommen um Sklaven zu stehlen!"
Diese Worte waren nun nicht gerade dazu angetan, den Sklaven die Situation deutlicher zu machen. Teri zurrte den letzten Knoten an den Fesseln des Aufsehers fest und stand dann ebenfalls auf. Jetzt nahm auch Keldan den Bogen herunter und drehte sich um.
"Ich bin Teri, Scharfrau aus Thedra, ausgesandt nach Estador, um eine Armee zu rekrutieren!" Teri stapfte mit gewichtigen Schritten auf die Sklaven zu. "Das hier", sie wies auf ihre Gefährten, "sind Lkeide von Melling und Keldan von Thedra, meine Beschafferin und mein Waffenmeister!"
Die so plötzlich Beförderten sahen sich überrascht an, und Lkeide mußte sich zusammennehmen, um bei dem Auftritt ihrer Freundin nicht laut herauszuplatzen.
"Wenn ihr mit uns gehen wollt, bringe ich euch als Lohn die Freiheit!", schloß Teri ihre kurze Rede ab.
"Freiheit?", echote einer der Sklaven, als habe er das Wort noch nie gehört.
"Ja, Freiheit!" mischte Lkeide sich ein. "Herumlaufen und machen, was man will!"
"In einer Armee?" Der Mann hatte Zweifel.
"Ihr müßt nicht eintreten", fiel Teri wieder ein. "Aber es wäre bestimmt besser, mit uns zu kommen, als sich allein in den Wäldern behaupten zu wollen. - Entscheidet euch, denn wir haben nicht viel Zeit!"
Der gefesselte Aufseher stöhnte leise und setzte sich unbehofen auf. "Oh, ihr verdammten ..."
"Ruhig!" Lkeide drehte sich zu ihm um. Undeutlich sah Teri, wie sie warnend die Hand mit dem Schlaghandschuh hob. Der Mann verstummte sofort.
Teri gönnte ihm nur einen kurzen Blick und wandte sich dann wieder den Sklaven zu.
Der Wortführer der Sklaven sah auf den Aufseher, dem die Wut über diesen unverschämten Überfall selbst in der Dunkelheit deutlich anzumerken war. "Ich komme mit!", entschied er dann.
Die beiden Männer an seiner Seite nickten ebenfalls bedächtig, und damit war es beschlossene Sache.
"Dann kommt jetzt!", forderte Teri die Sklaven auf. "Sucht alles zusammen, was ihr unterwegs braucht. - Und vergeßt nicht, die Vorräte mitzunehmen!"
Langsam gaben sich die Befreiten daran, einige Dinge in ihre Decken einzupacken und brachten Teri mit ihrer bedächtigen Art fast zum Wahnsinn. Jedes Teil wurde von allen Seiten betrachtet, bevor man sich entschied es mitzunehmen, oder aber zurückzulassen. Teri mußte sich vor Augen halten, dass diese Leute es nicht gewöhnt waren, eigene Entscheidungen zu treffen, um - zumindest äußerlich - ruhig zu bleiben.
Schließlich wurden die Männer aber doch fertig und kamen mit ihrem Gepäck zu der Stelle, wo Teri, Lkeide und Keldan ihre Bündel zurückgelassen hatten.
"Äh", einer der Befreiten hatte eine Frage. Teri sah ihn aufmunternd an. "äh, wieviele seid ihr, äh, sind wir eigentlich? - Die Armee, meine ich!"
Teri überlegte kurz. - Lügen hatte keinen Zweck! "Euch drei eingerechnet, sechs!", erklärte sie unbefangen. "Kommt, es geht los!", und schon nahm sie ihr Bündel auf und ging voraus durch den Wald. Sie meinte zwar, ein fassungslos gehauchtes "Bei allen Göttern - sechs!" hinter sich gehört zu haben, aber als sie sich nach einer Weile umdrehte, stellte sie zufrieden fest, dass fünf dunkle Gestalten ihr treu auf ihrem Weg folgten. - Wirklich etwas kümmerlich für eine Armee!
Kurz schaute Teri durch die Baumkronen auf den Himmel. Es war noch weit vor der
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