Sturm und Drang
liebt sie ihn nicht. Er ist zu eitel und zu streng, als dass man ihm Zuneigung entgegenbringen könnte. Aber er ist ein weit besserer Staatsdiener als unser höchster Bonze Konsul Kahlius. Kahlius wurde auf dem Schlachtfeld verwundet, allerdings nicht gerade in einer ruhmreichen Situation. Er befindet sich zwar auf dem Wege der Besserung, ist aber noch zu traumatisiert, um die Zügel der Macht wieder aufzunehmen. Daher führt jetzt Zitzerius kommissarisch die Geschäfte. Der Stress macht sich deutlich an ihm bemerkbar. Er ist hohlwangig, und sein Umhang, der normalerweise so sauber, weiß und frisch geplättet wie nur möglich ist, sieht aus, als hätte er ihn aus einem Stapel schmutziger Wäsche gezogen.
»Die Heilerin macht sich zwar Sorgen wegen Lisutaris’ Zustand, aber nicht übermäßig. Die Herrin des Himmels ist eine starke Frau und wird sich wieder erholen.«
Ich sehe Lisutaris an. Sie hat die Augen geöffnet, aber ich weiß nicht, ob sie uns versteht.
»Also werdet Ihr eine Kutsche schicken, die sie nach Hause bringt? «
»Nein. Sie muss sich hier erholen«, erklärt Zitzerius. »Eure Heilerin empfiehlt absolute Ruhe.«
Ich äußere vernehmlich meinen Protest. Zitzerius starrt mich finster an.
»Ihr traut also dem Urteil dieser Heilerin Chiruixa nicht? «
Kleinlaut gebe ich zu, dass ich ihr sehr wohl vertraue. »Sie sorgt gut für die Menschen in Zwölf Seen, und das ist nicht einfach.«
Zitzerius nickt. »Ich habe ebenfalls das Gefühl, dass man ihr trauen kann. Ich könnte Lisutaris zwar Heiler aus dem Palast schicken, aber …« Er denkt eine Weile nach. »Aber mir wäre es lieber, wenn so wenig Menschen wie möglich von ihrer Erkrankung erführen. Diesen Monat hat unser Geheimdienst bereits einen Spion der Orks im Palast und einen im Senat enttarnt. Vermutlich gibt es noch mehr. Ich würde Lisutaris lieber hier lassen, damit sie sich geschützt vor neugierigen Blicken erholen kann. Makri wird sie bewachen, und ich sende noch einige Agenten hierher, diskret natürlich, die für ihre Sicherheit garantieren. Wenn alles gut geht, sollte unsere Oberhexenmeisterin in ein paar Tagen gänzlich wiederhergestellt sein, ohne dass überhaupt jemand erfährt, dass sie krank war. «
»Wird man sie im Palast nicht vermissen? Oder im Kriegsrat? «
Zitzerius schüttelt den Kopf. »Ich kann dafür sorgen, dass sie aufgrund ihrer Verpflichtungen dem Kriegsrat einige Tage fernbleibt. Und für öffentliche Auftritte können wir ihre Doppelgängerin einsetzen, um jedem Verdacht zuvorzukommen.«
»Ihre Doppelgängerin?«
Zitzerius verrät mir, dass das Büro des Konsuls Leute beschäftigt, die in genau solchen Notfällen die Rollen der wichtigsten Bürger von Turai übernehmen können.
»Eine Angestellte des Palastes, eine Archivarin der kaiserlichen Bibliothek, hat bereits gelegentlich in dieser Eigenschaft gute Dienste geleistet.«
Ich bin beeindruckt. Mir war nicht klar, dass unsere Regierung so gut organisiert ist.
»Stehen wir denn unter Quarantäne?«
Zitzerius schüttelt abermals den Kopf. »Präfekt Drinius darf nicht informiert und die Rächende Axt auf keinen Fall unter Quarantäne gestellt werden. Tut nichts, was die Aufmerksamkeit auf diese Taverne lenkt, bis Lisutaris sich vollständig erholt hat.«
»Und Marihana?«
»Sie muss ebenfalls hier bleiben. Wir können es nicht riskieren, dass sie geht. Sie könnte verlautbaren lassen, dass Lisutaris krank ist. «
»Aber es ist gefährlich, sie hier zu lassen. Wenn sie jetzt Lisutaris ermordet?«
»Das dürfte eher unwahrscheinlich sein«, zerstreut Zitzerius meine Bedenken. »Meuchelmörder töten nicht wahllos. Sie sind Vertragskiller.«
»Mir gefällt das überhaupt nicht. Warum sollte ich mich um eine kranke Meuchelmörderin kümmern?«
»Ihr seid Euch der turanischen Tradition schon bewusst«, fragt Zitzerius schneidend, »die von allen Bürgern des Stadtstaates verlangt, einem kranken Besucher Gastfreundschaft zu gewähren?«
»Sicher. Ich bezweifle nur, dass diese Tradition auch für Meuchelmörder gilt.«
»Sie gilt für alle«, sagt Zitzerius. Er hütet die turanischen Traditionen wie seinen Augapfel, selbst wenn sie noch so blöd sind. »Kümmert Euch um sie, und geht Euren Geschäften nach. Dann sollte Lisutaris’ Krankheit unbemerkt bleiben.«
Ich gebe meinen Widerstand auf. Wenigstens wird die Taverne nicht unter Quarantäne gestellt, also kann das Kartenspiel stattfinden. Mir kommt der wahnsinnige Gedanke, Zitzerius nach
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