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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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vollenden.« Ein Blick aus gelben Augen traf Gerit wie ein Blitz.
    »Holt die Menschen vom Dach«, sagte Schwarzklaue.
    Gerit blieb stehen. Er war beinahe erleichtert, dass es endlich vorbei war. Ich werde nicht weglaufen, dachte er. Sie werden ihre Krallen nicht in meinen Rücken schlagen.
    Hinter ihm lief Vrenn schreiend auf die Dachluke zu.
     
     
    Sie hatten sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, ihn zu fesseln.
    Gerit stand an der Wand des Audienzsaals, dort wo Hinker ihm befohlen hatte zu warten. Vrenn hockte neben ihm am Boden und weinte lautlos. Seine Flucht hatte kaum länger gedauert als Gerits Weg durch das Treppenhaus.
    Die Nachtschatten hatten die Einrichtung aus dem Saal entfernt. Nur einige Tische standen noch an den Wänden, der Thron und die Stühle für die fürstlichen Schreiber und Berater waren verschwunden. An ihrer Stelle hatten die Nachtschatten Wandteppiche und Vorhänge von den Wänden gerissen und auf dem Boden ausgebreitet. Sie saßen darauf, bildeten einen Kreis um Schwarzklaue und Korvellan. Selbst sitzend ragte Schwarzklaue aus der Gruppe hervor. Gerit stand als Einziger. Niemand beachtete ihn. Er hielt den Kopf gesenkt und betrachtete die Stickereien des Wandteppichs, der vor ihm lag. Sie stellten eine Jagdszene dar. Reiter folgten zwei Löwen über die Savanne. Eines der Tiere blickte ihnen entgegen, die Krallen ausgefahren, das Maul geöffnet. Der andere Löwe lief einem dichten Wald aus Palmen entgegen. Gerit hatte als Kind oft vor dem Teppich gesessen und sich vorgestellt, einer der Reiter zu sein. Er fragte sich, weshalb er nie einer der Löwen hatte sein wollen.
    Vielleicht, weil sie sterben werden, dachte er.
    »Was ist mit den Soldaten?«, hörte er Korvellan fragen.
    Kralle sprach für die Nachtschatten. »Die Offiziere haben fünf Goldstücke für jeden Mann bekommen, der die Waffen niederlegt und die Kaserne verlässt, so wie du es uns befohlen hattest. Wir mussten höchstens zwei Dutzend töten.« Er grinste. »Das hat die anderen überzeugt, unser Angebot anzunehmen.«
    Schwarzklaue schnaubte. »Die Feiglinge haben den Tod mehr verdient als die, die sich uns entgegengestellt haben. Ihr hättet sie töten sollen.«
    »Das ist die Haltung eines Kriegers, nicht eines Strategen«, sagte Korvellan. »Ein Krieger hätte versucht, sie alle zu töten, aber er hätte es nicht geschafft. Die Überlebenden wären nach Braekor geflohen und hätten von diesen Gräueln berichtet. Das nächste Mal, wenn wir auf sie getroffen wären, hätten sie uns mit dem Mut von Todgeweihten bekämpft, und viele wären unnütz gestorben. Aber wir haben sie leben lassen und ihnen genügend Gold gegeben, um eine Farm oder ein Fischerboot zu kaufen. Das wird sich herumsprechen. Wenn wir an einem Tag, der nicht mehr weit entfernt ist, den Soldaten Braekors oder Westfalls gegenüberstehen, werden sie wissen, dass sie eine Wahl haben: Ehre und Tod oder Gold und Leben. Das wird Zweifel unter ihnen säen, und zweifelnde Krieger sind schwache Krieger.«
    Gerit konnte kaum glauben, was er da hörte. Die Soldaten Somerstorms hatten sich bestechen lassen, hatten ihre Heimat und ihre Fürsten für ein paar Goldstücke verraten? Wieso nur hatten sie das getan?
    »Du bist ein kluger Mann, Mortamer«, sagte Schwarzklaue, »aber du denkst wie ein Mensch.«
    »Einer muss es tun.« Es klang wie Ironie, aber Korvellan lächelte nicht. Er trank einen Schluck Obstbier aus einem Holzbecher, dann wandte er sich wieder an Kralle. »Was ist mit den Minen?«
    »Ein paar Sklaven sind geflohen, zwei haben sich als Nachtschatten erwiesen und wurden befreit. Die meisten fördern weiterhin Gold und Eisen. Wir haben die Wächter behalten und ihnen gesagt, dass für jeden Sklaven, der flieht, einer von ihnen getötet wird. Seitdem gab es keine Flucht mehr.«
    Korvellan neigte den Kopf. Einen Augenblick lang sah Gerit die Bestie in ihm, so wie in einem dieser Bilder, die sich veränderten, wenn man sie aus einem anderen Winkel betrachtete. Als Kind hatte ihm seine Zofe erzählt, manche Nachtschatten trügen ihr Fell innen. Gerit hatte nie daran geglaubt. Er hatte an vieles nicht geglaubt.
    »Hängt die Wachen«, sagte Korvellan. »Holt die Sklaven aus den Minen, damit sie es sehen. Wenn sie es selbst tun wollen, lasst sie. Sagt ihnen, dass sie die Mine verlassen können, wenn sie wollen, aber dass sie von nun an für jedes Pfund Metall, das sie aus den Bergen reißen, zehn Silberstücke bekommen. Sagt ihnen, Schwarzklaue wird

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