Sturm
gemeistert.
Mit dem gefalteten Sack in der Hand ging Gerit auf die Tür zu. Er hatte Angst zu stolpern oder einen der schlafenden Nachtschatten zu treten, also achtete er sehr genau darauf, wo er hintrat. Jenseits der Küchentür und jenseits von Horons kaltem starren Blick lag ein winziges Stück Sicherheit. Mehr brauchte er nicht, nur diese kurze Zeit bei Tee und Haferschleim. Mokshs Gerberei war der einzige Ort, an dem er keine Angst hatte.
Als er das Geräusch hörte, war es bereits zu spät. Sein Fuß stieß gegen den Maka-Eimer, warf ihn mit lautem Scheppern um. Wasser ergoss sich über den Boden, geschälte Makas schlitterten über die Steine. Nachtschatten setzten sich nass und fluchend auf.
Gerit erstarrte. Hinter ihm seufzte Horon. »Du dummer kleiner Junge«, hörte Gerit ihn sagen. »Passt nie auf, wo du hintrittst.«
Die Nachtschatten standen auf. Sie waren zu zehnt. Acht von ihnen hatten sich bereits zurückverwandelt, die beiden anderen fletschten die Zähne und knurrten.
Gerit wich zurück. Das war ich nicht, wollte er ihnen entgegenschreien. Horon hat den Eimer vor meine Füße geschoben. Er wollte, dass ich darüber stolpere.
Aber er sagte nichts davon, wusste, dass Widerspruch die Strafe nur verschlimmern würde. »Es tut mir leid«, sagte er mit gesenktem Kopf. »Ich werde den Boden wischen und eure Sachen trocknen.«
Horon nickte. »Das wirst du.«
Er zuckte immer mit den Mundwinkeln, bevor er zuschlug, so auch dieses Mal. Gerit ließ sich fallen, zog die Knie an und bedeckte seinen Kopf mit den Armen. General Norhan hatte ihm einmal erklärt, dass man sich so am besten vor durchgehenden Pferden schützen konnte.
Horon trat ihn, die anderen bespuckten ihn und schlugen mit ihren nassen Decken auf seinen Rücken. Er wehrte sich nicht, weinte nicht, bettelte nicht. Er ließ es einfach nur über sich ergehen.
Als sie fertig waren, bluteten seine Ellenbogen und Schienbeine von den Tritten. Sein Rücken schmerzte. Horons Schatten fiel über ihn. »Mach dich an die Arbeit.«
»Ja.« Gerit nahm vorsichtig die Arme herunter. »Ich danke für die Belehrung.« Seidenfell war vor einiger Zeit auf die Idee gekommen, ihn das nach jeder Strafe sagen zu lassen. Seitdem hasste Gerit sie fast so sehr wie Horon.
Er richtete sich auf, zuckte jedoch zusammen, als Horon sich noch einmal zu ihm umdrehte.
»Noch was, Gerit«, sagte er. »General Korvellan kommt heute Abend mit einigen Gästen zu uns. Der General will vernünftige Tischsitten sehen. Du kennst dich doch mit so was aus, oder?«
»Das stimmt.« Sein Herz begann schneller zu klopfen. Korvellan war fast einen Monat lang nicht in der Festung gewesen. Er war sich sicher, dass der General es nicht gutheißen würde, wie Gerit hier behandelt wurde.
Horon nickte. »Gut, dann bring mir, Seidenfell und Flachnase das Wichtigste bei. Du wirst mit uns die Gäste bedienen. Es darf nichts schiefgehen.« Sein Blick richtete sich auf die Peitsche, die neben der Tür an einem Haken hing. »Verstanden?«
»Ja, verstanden.« Gerit schluckte. Als Kind hatte er einmal gesehen, wie ein Sklave mit dieser Peitsche bestraft worden war. Sie hatte den Mann bei lebendigem Leibe gehäutet. Gerit konnte sich nicht mehr daran erinnern, für welches Vergehen er bestraft worden war.
Vielleicht hat er gegen einen Eimer Makas getreten, dachte er.
Gegen Mittag begannen die Vorbereitungen für das Abendmahl. Zwei Schafe wurden geschlachtet, ein Nachtschatten-Fischer brachte ein Fass voll mit lebenden Felsspringerlachsen in die Festung, die Küchenhilfen saßen auf langen Holzbänken, schnitten Makas, Zwiebeln und Möhren. Eine ältere dürre Frau namens Brayinel überwachte die Arbeiten. Gerit hatte gehört, dass sie einst am Hof des Lachenden Königs gekocht hatte. Er hatte vor mehr als fünfzig Jahren regiert. Die Frau wirkte nicht alt genug, um für ihn gearbeitet zu haben, aber vielleicht alterten Nachtschatten anders als Menschen.
Gerit verteilte Teller, Besteck und Kelche auf dem Holztisch, den er und Horon in den Hof getragen hatten. Der Festsaal wurde noch gesäubert. Dort konnten sie nicht üben, auch wenn es Gerit lieber gewesen wäre.
Es hatte aufgehört zu regnen. Der Himmel war wolkenverhangen und grau. Gerit legte einen leeren Kelch auf die Seite und trat vom Tisch zurück.
»Was will dieser Gast von uns?«, fragte er. Flachnase kratzte sich mit einer Klaue am Kopf. Sie war jung und hatte einen breiten, flachen Wolfsschädel. Sie gehörte zu den
Weitere Kostenlose Bücher