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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Nachtschatten, die wie auch Horon und Seidenfell aus dem Norden gekommen waren, und verwandelte sich fast nie zurück. Menschen schienen ihr fremd zu sein.
    »Mehr zu trinken?«, fragte sie.
    Gerit schüttelte den Kopf. »Nein. Weiß es sonst jemand?«
    Er wartete, aber Horon und Seidenfell hoben nur die Schultern. Gerit musste sich zusammenreißen, damit sie nicht bemerkten, wie viel Spaß ihm die Übungen bereiteten. Zum ersten Mal hatte er etwas gefunden, worin er den Nachtschatten überlegen war.
    »Er will«, erklärte er nach einer Pause, »dass ihm jemand einen Eimer bringt, damit er reinpinkeln kann.«
    »Sie pinkeln, wo sie essen?« Flachnase wirkte angewidert.
    »Wenn sie dem Gastgeber nicht vertrauen. Auf dem Weg zur Latrine kann viel passieren.«
    »Und was machen die Frauen?«, fragte Seidenfell. Sie war hübscher als Flachnase, aber auch gemeiner und berechnender.
    »Wenig trinken.« Gerit dachte an eine Geschichte, die er einmal gelesen hatte. »Die Fürstin von Rabentron«, begann er, »war zum Beispiel bekannt für ihre Trinkfestigkeit. Sie …«
    Horon unterbrach ihn. »Wir haben keine Zeit für so einen Mist. Mach weiter.« Er wirkte ungeduldig, beinahe ärgerlich. An diesem Tisch führte er nicht das Kommando, und das wusste er.
    Gerit richtete den Kelch wieder auf. »Die Kelche der Gäste müssen stets gefüllt sein. Niemand soll seine Unterhaltung unterbrechen müssen, um nach Wein zu fragen. Wenn jemand nichts mehr trinken will, erkennt ihr das daran, dass sein Kelch auf dem Kopf steht. Sprecht mit niemandem, außer ihr werdet angesprochen. Alles, was ihr wissen müsst, könnt ihr an den Gegenständen auf dem Tisch ablesen.«
    Er nahm das Messer weg, das er neben den Teller gelegt hatte. »Die Gäste bringen ihre eigenen Messer mit. Wenn sie es einstecken, könnt ihr abräumen, vorher nicht.«
    Flachnase drehte den Kopf und hob die Nase in die Luft. »General Korvellan kommt«, sagte sie.
    Horon sah zum Tor. »Er hat Menschen dabei, mindestens ein Dutzend.« Seine Nasenflügel zitterten. Gerit lauschte in den Wind hinein. Er glaubte Hufschlag zu hören, war sich aber nicht sicher.
    Seidenfell lächelte. »Sie haben Angst.«
    Mehrere Nachtschatten sprangen von der Mauer, auf der sie Wache gehalten hatten, und zogen das Tor auf.
    Gerit keuchte erschrocken, als Horon ihm den Ellenbogen in die Seite stieß. »Los, weg mit dem Tisch.«
    Rasch räumten sie die Sachen zusammen und trugen sie zu einem Seiteneingang des Hauptgebäudes. Als sie zurückkehrten, trabte Korvellans Pferd bereits in den Hof. Der General stieg ab. Er trug ein bodenlanges dunkles Ledercape, dessen Kapuze auf seinem Rücken lag. Hinter ihm trabten acht weitere Pferde und einige Esel durch das Tor. Somer saßen darauf. Ihre dicke Wollkleidung war bestickt, ihre Bärte zu dünnen Zöpfen geflochten. Jeder von ihnen trug einen Dolch an der Hüfte. Ihre Blicke zuckten über den Hof. Keiner von ihnen saß ab.
    »Das ist ihre Festtagskleidung«, sagte Gerit. Er erkannte einen der zwölf Männer. Er hieß Odju und war der Älteste der Stadt Nrje.
    »Ist denn niemand hier, der die Tiere unserer Gäste versorgen will?«, rief Korvellan so laut, als müsse er eine Armee auf einem Schlachtfeld befehligen.
    Gerit trat sofort vor. »Vergebt Euren Dienern, Herr, es wird sofort geschehen«, sagte er mit einer Verbeugung. Er bemerkte, dass Korvellan ihn einen Moment musterte. Er sieht es, dachte er. Hoffnung ließ ihn lächeln. Jetzt weiß er, was sie mit mir machen.
    Er ergriff die Zügel eines Pferdes. Der alte, dicke Mann im Sattel zögerte, dann saß er ab. Angespannt blieb er stehen, wie ein Mann, der weiß, dass das Eis, auf dem er steht, dünn und gefährlich ist.
    »Steigt ab«, sagte er zu den anderen. Seine Stimme war heiser. Er leckte sich mit der Zunge über die Lippen. Die restlichen Somer befolgten den Befehl. Im Laufschritt brachte Gerit zwei Pferde und einen Esel zu den Stallungen, Horon und Seidenfell folgten ihm mit den restlichen Reittieren.
    »Ich werde sie striegeln«, sagte Gerit, »dann können wir mit den Übungen weitermachen. Wir haben ja …«
    Horons Hand grub sich in seine Haare und schleuderte ihn gegen die Wand. Gerit schrie auf. Der Aufprall raubte ihm den Atem. Horon trat ihm die Beine unter dem Körper weg, drückte sein Gesicht in das harte Stroh. Es stach wie Nadeln in seine Haut. Seidenfell lachte.
    »Das machst du nie wieder, verstanden?«, sagte Horon. Seine Stimme zischte in Gerits Ohr. »Ich rede mit dem

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