Sturmauge
Bahn geworfen. Sie wissen nicht, was sie davon halten sollen. Sie wissen, dass Lesarl Geweihte nutzt, aber Ardela stand auf keiner Liste. Also muss sie aus ihrem eigenen Lager kommen, weil sie stets eine klerikale Leibwache war.«
»Haben sie Eure Beweise angenommen?«
»Ja, und darum wollen sie davon auch nichts mehr hören. Wenn Lesarl verkündet, dass er sie gefangen genommen und hingerichtet hat, werden sie erleichtert aufatmen. Sie trauen einander nicht. Sie darf nur nie wieder irgendwo auftauchen, wo man sie erkennt. Und haltet sie bloß von mir fern. Ich habe schon genug Probleme, ohne dass sie ihre Rachegelüste auslebt.«
»Könnt Ihr ihn nicht aufhalten?«, fragte Gebet und kam damit wieder zur Sache. Er hörte den Stoff der Robe an einer Steinwand entlangstreifen und stellte sich vor, wie Certinse den Kopf schüttelte.
»Lesarl muss einen Weg finden.«
»Das muss er«, stimmte Gebet zu. »Wir wollen den Ecksteinmarkt doch nicht schon wieder aufbauen müssen, oder?«
Tänzer versuchte verzweifelt, seine Füße auf dem gepflasterten Boden warm zu stampfen. Er verzog das Gesicht, als das steife Leder auf seine Zehen drückte und versuchte erneut, sich eine bessere Möglichkeit auszudenken, wie er seinen Auftraggeber heimlich treffen konnte. Die kalten Hallen wurden nicht mehr als herzoglicher Palast genutzt, und das Gebäude war als Wohnraum für andere Zwecke kaum geeignet. Es war ein sehr prächtiges Gebäude, machte seinem Namen aber auch alle Ehre. Tänzer wusste nicht, ob es am Aufbau des Hauses, einem unterirdischen Fluss oder übernatürlichen Kräften lag – doch bis Haushofmeister Lesarl endlich auftauchte, würde er jedes Gefühl in seinem Gesicht verloren haben.
Er trug die Uniform einer Palastwache, die er einem Wachmann zu verdanken hatte, der sie ihm nur zu gern geliehen hatte und nun im Kaffeehaus saß, wo er seine Füße an einem Feuer wärmen konnte, und versteckte sich direkt hinter der Tür der kalten Hallen, die zu den Ställen führte. Dort wartete er. Von Zeit zu Zeit kam ein Angestellter herein, stampfte sich den Schnee von den Stiefeln und eilte an ihm vorbei, ohne den Soldaten, der in dem spärlich beleuchteten Flur Wache stand, eines zweiten Blickes zu würdigen.
Nach fast einer Stunde hörte Tänzer gemessene Schritte den Flur hinab auf sich zukommen. Er nahm Haltung an, bis er sicher sein konnte, dass der Haushofmeister allein war. Als er sich seinem Auftraggeber schließlich zuwandte, war dieser noch bleicher als üblich, was bei ihm ein seltenes Zeichen von Anspannung war.
»Du siehst lächerlich aus«, grummelte Lesarl.
Tänzer verkniff sich einen Kommentar über die Art, wie Lesarls Mantel dessen dürre Gestalt umflatterte. »Er kommt.«
»Kann der Oberste Kardinal das nicht verhindern? Was nützt uns der Mann dann?«
»Das liegt nicht in seinen Händen, das wisst Ihr«, sagte Tänzer bestimmt. Der Haushofmeister hatte in letzter Zeit immer schlechte Laune, aber Tänzer konnte sich ja nicht um die Läuse kümmern, die dem Mann über die Leber liefen. »Wir müssen einen Weg finden, ihn aufzuhalten.«
Lesarl nickte. »Ich habe vorhin mit Flüsterer gesprochen, aber sie hatte wichtige Dinge zu erledigen und konnte nicht auf dich warten.«
»Ihr Götter. Das hätte ich mir nicht träumen lassen, als Lord Bahl diesem Mann Asyl geboten hat. Er sollte ein Segen für den Stamm sein. Habt Ihr schon eine Entscheidung getroffen?«
Diese Frage zog eine Fratze nach sich. Trotz der Lage hatte sich Tänzer zusammennehmen müssen, um nicht zu lachen, denn der gebeugte, böse dreinblickende Lesarl, der Verweser, der durch die Flure der kalten Hallen schlich, erinnerte Tänzer an ein Stück, das er vor ein paar Jahren gesehen hatte. Es hatte König Deliss Farlan, den Vater des ersten Weißauges Kasi Farlan, als verschlagenen Tyrann gezeigt, den seine Syphilis langsam im Wahnsinn versinken ließ. Der Schauspieler hatte es geschafft, das innerste Wesen Lesarls in seine Darstellung einzubringen, was die ganze Stadt amüsiert zur Kenntnis genommen hatte.
»Eine Art Entscheidung«, sagte Lesarl schließlich. »Aber sie gefällt mir nicht sonderlich. Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn sogar der bloße Gedanke daran schon einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt. Ich habe noch keine Ahnung, wie ich Lord Isak davon überzeugen soll.«
»Könnt Ihr ihn nicht töten?«
»Wenn wir bei diesem Versuch erfolgreich sein würden«, fauchte Lesarl, »dann hätten wir gar kein
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