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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Certinse. »Die Schwarzweingläser stehen ganz links.«
    »Ja«, sagte Yeren und stellte die Karaffe ab, um den Stöpsel zu entfernen. »Aber die sind winzig.«

    Certinse eilte um den Schreibtisch herum, nahm ihm den Schwenker aus der Hand und ersetzte ihn durch ein deutlich kleineres Glas, das wie eine sich öffnende Tulpenblüte geformt war.
    »Das ist mir gleich. Schwarzwein kippt man nicht einfach runter, man muss ihn genießen«, sagte Certinse bestimmt. Der Söldner widersprach ihm überraschenderweise nicht, sondern füllte das dargereichte Glas und prostete ihm zu.
    »Wie habt Ihr es herausgefunden?«, wollte Certinse wissen.
    »Meine Männer sind bessere Boten als jeder Novizen-Jungspund. Die meisten Kleriker nutzen uns, um ihre Botschaften zu verschicken.«
    »Bemerken sie denn nicht, dass ihr die Nachrichten lest?«
    Yeten lachte. »Euresgleichen ist strohdumm, wusstet Ihr das noch nicht? Sie haben keine Ahnung von Geheimhaltung. Wenn sie Lord Isak den Krieg erklären, wird der Haushofmeister sie zum Frühstück verspeisen.«
    »Und das ist auch gut so«, sagte Certinse und schenkte sich nach. »Aber bevor Ihr Euch zu sehr selbst lobt, möchte ich Euch doch daran erinnern, dass Ardela nicht tot ist, sondern beim Haushofmeister im Kerker sitzt! Ihr habt Glück, dass ich einen Handel mit Lesarl schließen konnte, damit er sie schnell aburteilt.« Er seufzte und setzte sich auf die Ecke des Schreibtischs, wo er eine Weile über die Neuigkeiten nachdachte, die Yeren ihm überbracht hatte. »Jedes Mitglied der Synode ist der Meinung, er solle der Führer eines glorreichen heiligen Kreuzzuges werden«, sagte er schließlich. »Ich bin verblüfft, dass sie sich darauf einigen konnten, ihn einzuladen – trotz seiner Stellung im Glauben kommt er doch aus einem anderen Stamm.«
    »Nun, sie haben sich geeinigt, und er ist es«, verkündete Yeren unbeeindruckt. »Habt Ihr etwas gegen ihn?«
    »Benutzt Euren Kopf, Mann, könnt Ihr Euch nicht vorstellen, was passieren wird?«

    Yeren grinste. Certinse roch den Alkohol in seinem Atem – nicht Schwarzwein, sondern diesen scharfen Mistkerl , den die Soldaten brauten.
    Ihr Götter, wahrscheinlich schmeckt er den Schwarzwein nicht einmal mehr. Er hat ihn nur getrunken, um mich zu ärgern, und um zu beweisen, dass er weiß, was für ein guter Tropfen das ist.
    »Das wäre ein interessanter Anblick«, sagte Yeren.
    »Und danach?«
    Das Gesicht des Soldaten wurde ernst. »Ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt.«
     
    »Er kommt nach Tirah.«
    »Seid Ihr sicher?«
    »Natürlich, du verdammter Idiot«, heulte Certinse schrill. »Die Synode hat es genehmigt und ihn öffentlich eingeladen.«
    »Könnt Ihr die Meinung der Synode nicht ändern?« flüsterte Gebet. Er glaubte, dass sie hier, in den Katakomben des Nartis-Tempels allein waren, aber in den düsteren Gängen hallten die Stimmen sehr weit. Obwohl sich in den Katakomben unzählige Räume voller Verzeichnisse und religiöser Schriften befanden, trauten sich dieser Tage nur wenige Gelehrte hier herunter. Der gerade erst ernannte Oberste Kardinal Certinse hatte die grausamen Anstandstribunale seines Vorgängers zwar abgeschwächt, und dennoch waren die unterschiedlichsten »Reinigungen« vorgenommen worden. Einige davon waren kultübergreifend, die meisten aber schienen einfach nur unfassbar.
    »Sie misstrauen mir jetzt schon genug. Die Anstandstribunale sind nicht so ausgegangen, wie sie es sich vorgestellt hatten, und sie suchen nach einem Sündenbock dafür. Und die Tribunale waren mein Erfolg!« Certinse spie das letzte Wort aus, als verbrenne es ihm den Mund.
    Gebet vermochte ihn zwar nicht zu sehen, weil er sich hinter
einer Ecke versteckte, um seine Identität geheim zu halten, aber er konnte sich den Gesichtsausdruck doch gut vorstellen. Er hatte dem Obersten Kardinal Hinweise hinterlassen, wie er im Notfall mit ihm in Kontakt treten konnte, aber nie geglaubt, dass es wirklich dazu kommen würde. Lesarl zog es vor, wenn sein Gefolge Abstand von den eigentlichen Geschehnissen hielt, lauschte und Neuigkeiten sammelte, statt sich selbst wie Spione zu verhalten.
    »Was erzählt man sich über die Todesfälle von Bern und dem letzten Obersten Kardinal?«
    »Sie wissen, dass Lesarl hinter Berns Tod steckt – Ihr Götter, ein fünfjähriges Kind könnte das herausfinden. Aber sie finden keine Möglichkeit, es ihm stichhaltig vorzuwerfen. Beim Obersten Kardinal Echer sind sie verwirrt. Der Tod der Dame hat sie aus der

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