Sturmauge
Sein Blut leuchtete im Licht der Sterne erschreckend hell. Als es begann, seinen Finger hinabzulaufen, schleuderte Isak es der Königin ins Gesicht.
Mihn sah angewidert zu, wie sie – einem Hund gleich, der nach einem Knochen schnappte – den Mund aufriss und mit der toten, blauen Zunge versuchte, die Tropfen einzufangen.
»Ein annehmbarer Pakt«, rasselte sie.
Isak behielt das Schwert in der Hand, zog eine kleine silberne Kiste aus der Tasche seines Wamses und warf sie der Königin vor die Füße. »Der Pakt ist noch nicht ganz geschlossen«, warnte er sie. »Brich einen deiner Fingernägel ab und steck ihn in dieses Kästchen.«
»Du forderst einen Teil meines Körpers ein, Junge?«, fragte sie aufgebracht. »Eine göttliche Reliquie in den Händen eines Kindes?«
»Ohne dies gibt es keinen Handel.« Isaks sprach ruhig und gefasst, und er war dabei sehr aufmerksam. Es lag in der dickköpfigen Natur eines Weißauges, jedes Ziel ohne Mitleid zu verfolgen, sich nicht abbringen zu lassen, bis er Erfolg hatte. Oft machte sie das gefühllos, sogar seelenlos, aber, wie von den Göttern geplant: dadurch waren sie in den meisten Kämpfen die Überlegenen.
Die Königin des Verfalls fletschte die Zähne und wand sich, als wolle sie die Fesseln des Handels abstreifen. Doch es war zwecklos. Die Macht, die ihr Isak anbot, war zu verlockend, gleichgültig, welche Einschränkungen damit einhergingen. Schließlich riss sich der Aspekt Tods ein Stück Fingernagel ab und warf es wie eine Katze fauchend in das Kästchen.
Isak nickte ruhig. »Dann haben wir jetzt einen Pakt geschlossen, meine Dame«, sagte er in deutlich respektvollerem Ton. »Das erste Gebet zu Euren Ehren soll in der Morgendämmerung auf den Stufen von Tods Tempel gesprochen werden. Ich überlasse Euch derweil Euren Aufgaben.«
Die Königin starrte den Lord der Farlan noch einen langen Augenblick an, dann wirbelte sie davon und verschmolz mit dem Wind. Erst als der Wind sie über die Stadt hinweg davongetragen hatte, verschwand auch das unangenehme Kribbeln von Mihns Haut.
Er war kaum imstande, sich zu bewegen. Schweigend sah er zu, wie Isak das silberne Kästchen mit dem Fuß schloss und ein Tuch darüber warf. Dann wickelte er es rasch ein und band es mit einem grauen Faden zu.
»Ihr …« Seine Worte verloren sich. »Das war …«
Isak blickte auf, die Wangenmuskeln zuckten wütend, aber er konnte die Träne nicht verbergen, die aus seinem Auge rann. »Es war notwendig. Sie sind unsere Feinde.«
»Aber …«
Isak unterbrach ihn: »Ich weiß. Ich kann es nicht leugnen und ich kann auch nicht zählen, wie viele deswegen sterben werden.« Es sah zu Boden. »Es ist Völkermord, und ein weiteres Stück meiner Seele stirbt.«
Isak und Mihn schwiegen für den Rest des Abends. Isak wusste, dass es seine eigene Verdammnis war, die seine Laune trübte, aber er konnte Mihn oder seinen anderen Freunden nicht in die Augen sehen. Er versuchte sich mit einem Buch abzulenken, aber die Mühen des Lesens verstärkten seine Verzweiflung nur noch und einzig Mihns unglaubliche Schnelligkeit rettete ein seltenes Werk vor den Flammen.
Ihm war übel und sogar seine bevorzugte Lösung, sich in den Schlaf zu trinken, entzog sich ihm. Schon nach dem ersten Schluck Wein musste er sich übergeben.
Als letzte Zuflucht wandte er sich dem Schmieden zu, hoffte sich im Schweiß und der Erschöpfung des Hämmerns zu verlieren. Aber als auch dies fehlschlug, kehrte er in seine Kammern zurück. Als er durch die Große Halle ging, fiel ihm jedoch etwas auf. Er blieb stehen und starrte die große Doppeltür an, die den Eingang zum Turm von Semnar darstellte. Sie wurde von den Flügeln und dem Kopf eines Drachens aus gewundenem Eisen eingerahmt und erinnerte ihn an eine Aufgabe, die er schon viel zu lange vor sich hergeschoben hatte.
»Ich kann es ebenso gut jetzt angehen«, sagte er vor sich hin. »Ich habe kaum etwas Besseres zu tun.«
Von den Stufen her klang ein Räuspern und Tila trat in sein Blickfeld. »Xeliath hat nach dir gefragt«, sagte sie lächelnd.
»Ist es dringend?«
»Ich glaube nicht … sie hat zumindest nicht geflucht.«
»Sagst du ihr bitte, dass ich später kommen werde. Ich muss noch etwas erledigen, dem ich schon zu lange ausgewichen bin.«
Auf Tilas fragenden Blick hin setzte er hinzu: »Der Drache hat einen Pakt mit Lord Bahl geschlossen, nicht mit dem Reich der Farlan. Ich muss versuchen, den Pakt mit ihm zu erneuern.«
Er wollte es hinter
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