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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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eben erkennen. An einem faulen Abend hatte er bemerkt, dass er Kirl länger kannte als jede andere Frau im Land. Zwischen ihnen war nie etwas gewesen – eine Schande, fand Bernstein. Es fühlte sich an, als minderte ihr Lächeln jedes Mal die Last der Jahre auf seinen Schultern, aber sie war schon längere Zeit Teil der dritten Legion der Chetse, als er darin gedient hatte.
    »Was sagt man denn dazu?«, spie ein Mitglied der zweiten Gruppe förmlich aus. Der Rest verstummte und blickte Bernstein an.
    »Ich sage dazu Reiterdame Kirl«, grollte Bernstein. »Und ich schlage vor, dass Ihr das auch tut, sonst müsst Ihr Euch zu Fuß auf den Weg in die Runde Stadt machen.«
    Der Mann kam einen Schritt auf Bernstein zu und war damit nah genug, dass Bernstein seinen Gesichtsausdruck erkennen konnte, der seine Laune noch weiter verschlechterte. Der Mann trug eine aus billigem Leinen geschneiderte, schlichte Reiserobe. »Stellt nur sicher, dass sie ihren Platz kennt«, sagte er und blickte Kirl mit unverhohlener Geringschätzung an. Sein Gesicht war schmal und bleich, und sein Körper schien kein Gramm Fett an sich zu haben. Wie befohlen hatte er sich das Haar und die Augenbrauen abrasiert. Ohne Haar wirkten sie alle kaum noch wie Menin, und es war eine gute Verkleidung, weil sie so wenig menschlich aussahen. Der Mann war vermutlich jünger als Bernstein, aber ein seltsames Gefühl des Alters umgab ihn, das seine fremdartige Erscheinung noch unterstrich.
    »Mein Platz«, antwortete Kirl ruhig, »ist ganz vorne, von wo
aus ich euch Befehle gebe, wann immer ich Lust dazu habe.« Es lag keine Feindseligkeit in ihrer Stimme. Die erfahrene Reiterdame hatte ihren Lebtag lang Erfahrung mit Soldaten und würde nicht zulassen, dass sich ein Mann über sie erhob.
    Bernstein biss sich auf die Zunge, um nichts zu sagen. Kirl brauchte keine Hilfe, sie kam allein zurecht.
    »Das werdet Ihr bald anders sehen.«
    »Nein, das werde ich nicht«, sagte sie und wirkte nun gelangweilt. »Ihr besitzt keinen militärischen Rang, und dies ist eine Heeresangelegenheit. Ich habe den Auftrag, Euch bis zur Grenze zu bringen und dann zurückzukehren. Wenn ich aber zu früh zurückkehre, weil Ihr unterwegs Eure Spielchen treiben wolltet, so habt Ihr damit den Einsatz scheitern lassen.«
    »Und dann werdet Ihr herausfinden, dass die Stellung Eures Herrn bedeutungslos ist, wenn es darum geht, Euch zu bestrafen«, fügte Bernstein hinzu und wandte sich dem Mann ganz zu. Bernstein war sogar für einen Menin-Soldaten groß und kräftig, wollte sich aber trotzdem nicht auf einen Kampf einlassen. Der Mann wirkte zwar wie ein Schwächling, war aber ebenso wie seine Kameraden ein Adept Larats, und damit vor allem ein Magier. Er wäre schnell genug, um den Anführer niederzustrecken, doch danach würden ihn die anderen dafür umbringen.
    »Ihr wagt es, einen Kirchenmann zu bedrohen?«, fragte der Adept mit einem grausamen Lächeln. »Das ist ebenso dumm, wie meinem Meister entgehen zu wollen.« Um seine Aussage zu unterstreichen, hob er eine Hand, so dass sein schwarzer Ärmel und der silberne Ring am Mittelfinger, die ihn als Priester Tods auswiesen, zu sehen waren.
    »Ich weiß genau, wer Ihr seid, und dass Ihr Euch verkleidet habt, macht da keinen Unterschied, Magier.« Bernstein lehnte sich vor und drängte den Mann durch seine Körpermasse zurück. Adepten Larats, des Gottes der Magie, waren keine Priester,
sondern Magier, Akolythen des Erwählten des Larat. Nachdem Lord Larim die treuesten Anhänger seines Vorgängers abgeschlachtet hatte, hatte er keine Zeit verschwendet, sondern sich einen eigenen Stamm an Magiern aufgebaut, um seine Machtgrundlage zu stärken. Jeder einzelne von ihnen war jung und ehrgeizig und gierte wie Larim nach Macht. Aber offenbar fehlte ihnen das Gespür des Weißauges für den Zeitpunkt, wann es genug war. Es schien nicht ungewöhnlich, dass man einer Frau keinen militärischen Rang zugestand, aber es verblüffte Bernstein in diesem Fall, weil die Magie stets beiden Geschlechtern offenstand.
    »Haltet den Mund und tut, was man Euch sagt«, warnte Bernstein den Adepten und warf dann auch den anderen vieren einen Blick zu. Die Frau in der Gruppe blickte sogar noch giftiger zurück als ihre Kameraden. »Ihr bekommt zehn Tage Vorsprung vor uns. Sobald Reitdame Kirl euch absetzt, seid ihr zu Fuß unterwegs, also schlage ich vor, dass ihr ihre Pferde wertschätzt, solange sie euch zur Verfügung stehen. Verhaltet euch wie die Priester

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