Sturmauge
Wenige dachten überhaupt darüber nach.
»Ist schon mal jemand hineingegangen?«, fragte Kommandant Jachen. Er verlor sich in den Erinnerungen an die Schlachten der letzten Nacht. Seit diesem Tag hatte er sich aus dem inneren Kreis Isaks zurückgezogen. Er befehligte noch immer die Leibgarde des Lords der Farlan, aber er hatte wenig Lust, mehr zu tun, als die Befehle zu befolgen. Isak machte ihm daraus keinen Vorwurf. In seinem Schatten wurde es in letzter Zeit ziemlich eng, und seit dieser letzten Nacht in Scree war die Gesellschaft dort wenig erstrebenswert. Die Erinnerung an ihre Verteidigungsschlacht, als die Schnitter die Angreifer hingeschlachtet hatten, war wenig angenehm.
»Wer sollte das wollen?«, fragte Certinse, und niemand brachte eine Antwort zustande. Die versammelten Kleriker aus Certinses Gefolge murmelten. Isak kannte keinen von ihnen. Niemand sprach so laut, dass Isak ihn hätte verstehen können, aber er wusste, dass sie alle Angst vor der zerstörten Stadt hatten. Für sie hatten die schrecklichen Ereignisse die Straßen wohl nicht von der Ketzerei gesäubert.
Der Oberste Kardinal wurde von einer Abordnung aus Klerikern verschiedener Kulte begleitet. Sie vertrauten einander nicht – alle hatten sie Bewacher mitgebracht, die Meldung erstatten sollten. Aber der Kommandant der Truppen war einer von Certinses Männern. Er war als Oberst Yeren vorgestellt worden, obwohl nur zwei Regimenter und keine ganze Legion Certinse begleiteten. Isak war aufgefallen, dass sich Graf Vesna und Kommandant Jachen gleichermaßen angespannt hatten, als der Name des Mannes fiel. Und Yeren war offensichtlich erfreut darüber,
dass ihm sein Ruf – was immer er auch aussagen mochte – vorausgeeilt war.
Die Pferde hinter ihnen wurden langsam unruhig. Isak drehte sich im Sattel um und musterte die Soldatenreihen hinter sich. Sein ganzes Kontingent, bestehend aus Palastwachen und Heer, umfasste siebentausend Mann Kavallerie und fünftausend Fußsoldaten, die schon jetzt so weit zurückfielen, dass sie vermutlich zu weit entfernt waren, wenn sie auf den Feind trafen. Eine Vorhut von eintausend Berittenen unter General Lahks Befehl ritt dem Haupttrupp voraus. Sie alle strengten sich an, um Lordprotektor Torls Heer einzuholen.
Isak wurde von den Lordprotektoren Fordan, Selsetin, Foleh, Lehm und Nerlos sowie den Erben Tebran und Cormeh begleitet. Saroc, Torl und der vor kurzem erst ernannte jugendliche Lordprotektor Tildek waren Teil der vorgereisten Truppen.
Alle Lordprotektoren und Erben hatten wie befohlen ihre Leibgarde mitgebracht, und jeder mindestens noch eine Division stehenden Heeres. Isak hatte bei drei Dutzend Wagen allein für die Rüstungen der schweren Reiterei aufgehört zu zählen.
Soldaten in rot-gelber Uniform fielen ihm ins Auge. Zwei Regimenter leichter Kavallerie, die zwei Dutzend Magier der Akademie der Magie flankierten. Lesarls Sonderverlautbarung hatte bestehende Abmachungen mit der Akademie eingefordert, die draufhin ihre vier fähigsten Hellseher und sechzehn Kampfmagier unterschiedlicher Macht mitgeschickt hatten sowie ein Paar Heiler, das den gut zwanzig dicklichen Priestern des Shotir helfen sollte, die am Ende des Zugs ritten.
Er erwartete weitere Soldaten aus Lomin, bis zu fünfzehntausend Mann. Sie würden Lord Chalat über den einzigen großen Pass durch die Berge folgen und unterwegs Waldläufer einsammeln. Die Bergkette zwischen Lomin und Scree bot in den engen, verwinkelten Tälern unzähligen Dörfern Platz, in denen Ziegen
gehütet wurden. Durch die Abgeschiedenheit und die wilden Tiere, die in der Wildnis Jagd machten, waren die Dörfler hart im Nehmen – und die besten Waldläufer Farlans.
»Dies ist eine gute Streitmacht«, sagte Isak zu sich selbst und schüttelte die düstere Stimmung ab. »Und ich muss mich um dringende Angelegenheiten kümmern. Wo befindet sich das vorgerückte Heer jetzt?«, fragte er Certinse.
»Wir schätzen, dass sie mittlerweile die Zwillinge erreicht oder sogar schon passiert haben«, sagte Certinse und riss sich vom Anblick des toten Ortes vor ihnen los.
»Die Zwillinge? Dann muss Torl sie ganz schön angetrieben haben.« Isak stellte sich den toten Flusslauf vor, den er einst mit dem Wagenzug befahren hatte. Die beiden Berge erschienen nach zwei Dritteln der Strecke zwischen Tirah und der Runden Stadt, und keine Armee aus dem Süden konnte ihre Versorgungslinien weiter als bis dorthin ausdehnen. Es gab auf der spärlich besiedelten Ebene
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