Sturmauge
eine Verbeugung an und versuchte damit, beschwichtigend zu wirken. »Ich befürchte, das wird nicht möglich sein. Lord Isak hat alle Magier in sein Heer befohlen. Nach den Todesfällen vor zwei Nächten hat er alle Mitglieder der Akademie zu sich beordert.«
»Sie unterstehen meinem Befehl«, sagte Chalat und sah Torl zum ersten Mal richtig an. Ein Funke des Weißauges, das er einst gewesen war, flackerte in seinen Augen auf. »Sie sind Werkzeuge der Götter, die ich so einsetze, wie ich es für richtig halte. Sagt dem Jungen, er soll sie zurückschicken.«
»Wie Ihr wünscht«, sagte Torl, den Chalats Verhalten überraschte. Das Weißauge konnte sich gar nicht vorstellen, dass sein Befehl nicht befolgt werden könnte. Vermutlich erwartete er, dass Lord Isak artig gehorchte.
Die Anstandstribunale wurden zunehmend gewalttätiger. Männer wurden vor den zu Gericht sitzenden Priestern ausgepeitscht, manchmal bis zum Tod, um Geständnisse zu erzwingen. Aber wirklich leid taten Torl die Überlebenden. Nachdem man ihnen das Schuldgeständnis abgepresst und sie gezwungen hatte, ihre Freunde zu beschuldigen und ihre Kameraden zu bestrafen, erhielten sie eine »Umerziehung« – Torl war sich nicht sicher, ob die zum Tode Verurteilten nicht glimpflicher davonkamen. Er war schon so weit, dass er Tiniq befohlen hatte, Männer zu töten, um sie vor diesem Irrsinn zu bewahren, der sich Tag für Tag wiederholte.
»Wir sind dem Feind nah, ich kann seine Ketzerei im Wind riechen«, sagte Chalat und riss Torl damit aus seinen düsteren Gedanken.
»Wir werden heute in Kampfformation reiten«, stimmte Torl zu. »Nach vier Tagen harten Ritts sollte der Schwarzzahn in Sicht kommen. Meinen letzten Berichten zufolge haben Lord Styrax’ Truppen ihr Lager vor Akell aufgeschlagen.«
»Ich muss das Heer anführen.« Chalat warf einen Blick zum anderen Heer hinüber, in das gerade Bewegung kam. General Lahk trieb sie gewiss an, damit sie als Erste das Lager abbrachen. »Wir werden vor Lord Isak aufbrechen. Ihr dürft Euch zu mir gesellen, Lordprotektor Torl.« Und damit wandte er sich ab und ging.
Die Menge der Priester teilte sich, um ihm Platz zu machen und begab sich dann gesittet weiter, um ihm zu folgen. Nur einer blieb zurück, ein großer Mann um die dreißig Sommer und mit einer flachen Nase. Er trug die Robe des Nartis. Er schien nicht zu bemerken, dass seine Kameraden die Reihe der Leibgarde schon passiert hatten, denn er musterte Lordprotektor Torl eingängig. Der ältere Mann erkannte ihn nicht, vermutete aber, dass er einer der magisch begabten war. Soweit Torl über die wechselnden Bünde und Gemeinschaften innerhalb der Kulte Bescheid wusste, hatte die Aussicht auf die Schlacht die Magier an die Macht gebracht.
»Der Bote der Götter befehligt Euch. Ihr werdet Eure Leibgarde nicht brauchen, lasst sie also hier.« Der Priester lächelte listig und bedeutete Torl, Chalat zu folgen. »Wir haben den Eindruck, dass Ihr weiter in Fragen der Religion geschult werden müsst.«
»Verflucht seist du mit deinen Eiferer-Kumpanen!«
Torl blinzelte. Kurz glaubte er, sein eigener Mund habe diese Worte gesprochen, aber dann bemerkte er, dass Tiniq vorgetreten war und offensichtliche Abscheu in den Zügen trug.
Der Priester wirkte nicht eingeschüchtert. »Gottloser Abschaum«, sagte er scharf. »Für diese Beleidigung der Kulte wirst du vor das Tribunal gestellt, das schwöre ich dir.«
»Nur zu«, antwortete Tiniq. »Mein Name ist Tiniq. Ich bin der Bruder General Lahks, und mein Schwert gehört Isak Sturmbringer. Wenn du glaubst, du könntest mich vor ein Tribunal zerren, nur zu.«
Der Kopf des Priesters ruckte zu Torl zurück. »Ihr umgebt Euch mit Ketzern«, zischte er. »Ihr müsst noch viel mehr lernen, als wir dachten. Lasst Eure Waffen zurück und folgt mir.«
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Lord Chalat weitergegangen war und nichts davon mitbekam, machte Torl eine kleine Geste. Auf dieses Zeichen hin zogen alle umstehenden Soldaten ihre Waffen – ein ganzes Regiment von eingeschworenen Leibgardisten.
»Ich bin mein ganzes erwachsenes Leben schon Mitglied der Bruderschaft der heiligen Lehre«, sagte er sanft. »Aber ich würde nur zu gern mitkommen und mich von einem Mann über Frömmigkeit belehren lassen, der halb so alt ist wie ich. Doch leider hindert mich die Sonderverfügung Sieben daran, und gegen diese zu verstoßen wäre Hochverrat.«
»Die Sonderverfügung steht nicht höher als das Wort der
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