Sturmauge
zog. Aus den Augenwinkeln sah er den Großen Wolf langsam heranschleichen, während der Brennende Mann gierig zu Lord Chalat hinübersah.
»Vergiss sie, du kannst ihnen nicht helfen« , flüsterte eine Stimme in seinem Kopf, die er in den letzten Monaten nur selten gehört hatte. Aryn Bwr, der letzte König der Elfen hatte sich in den tiefsten Abgründen von Isaks Seele versteckt, eingepfercht von den Aspekten des Todes, die mit Isaks Schatten verwoben waren und ihn so dringend in ihre Gewalt bekommen wollten.
»Die Augenblicke vergehen, einer nach dem anderen«, antwortete der Henker. Isak spürte die Endgültigkeit in diesen Worten wie Glockenschläge mithallen. »Deine Zeit kommt. Deine letzte Zuflucht gibt es bald nicht mehr.«
»Wende dich Byora zu« , drängte Aryn Bwr und Verzweiflung schlich sich in seine Stimme. »Vergiss die Priester, die dich im Handumdrehen ermorden würden. Du bist wegen der Anhänger des Schattens hier, sie sind nun in Reichweite gerückt.«
»Die letzten Körner fallen« , verkündete der Henker, »und wir warten auf dich, Ketzer.«
Isak schüttelte den Kopf, versuchte die streitenden Stimmen zu vertreiben. »Mögen die Götter euch alle verdammen«, grollte er und legte Toramin eine Hand auf den Hals, nämlich in dem Verlangen, statt toter Seelen etwas Lebendiges zu spüren. Als er blinzelte, verschwand das Bild der Schnitter aus seinem Blickfeld. Sie zogen sich zurück und warteten erneut geduldig.
»Mein Lord?«, fragte Vesna und versuchte, nicht besorgt zu klingen.
Isak sah ihn an. Sein Freund hielt die Finger auf das Handgelenk gedrückt, als wolle er seinen Puls messen – als wolle er sich daran erinnern, dass er noch lebte.
»Es geht mir gut, da sind nur diese Stimmen in meinem Kopf.«
Er scheiterte an dem Versuch, erheitert zu klingen – und schwieg. Dabei legte er zur Beruhigung seine Hand auf Eolis’ Smaragdgriff.
»Mein Lord, das Moor!«, brüllte Lahk, und als sie hinsahen, lichtete sich der Nebel über dem Sumpf plötzlich und eine eisige Hand umklammerte Isaks Herz. Das Moor war noch genauso, wie er es in Erinnerung hatte. Doch etwa eine halbe Meile hinter dem Eschenwäldchen sah er die schwarzen Schemen von Soldaten und keine grasbewachsenen Pfützen. Sie waren bereits in Bewegung. Drei Legionen Infanterie bildeten eine Schlachtenreihe und Kavallerie umritt sie, um die angreifenden Farlan in die Zange zu nehmen.
»Mein Lord«, sagte General Lahk. »Jetzt haben wir keine Wahl mehr. Sie sind in der Unterzahl. Wenn wir nur zusehen, werden zuerst sie und dann wir abgeschlachtet.«
»Die letzten Körner fallen« , erklang der spöttische Singsang in seinem Geist.
Isak verkrampfte sich, jeder Muskel spannte sich an, als die Last der Entscheidung auf seine Schultern krachte. Das Klirren der Waffen und das Stimmengewirr traten in den Hintergrund, und so wurde es still um ihn, während er über die unbestellten Felder sah. Er nahm nur die schweren Wolken über sich und den kühlen Geruch von Matsch im Wind wahr.
In seinem Geist breitete sich Grabesgestank aus. Er ballte die Fäuste so stark, dass sie wie die eines alten Mannes zitterten. Trotzdem konnte Isak nur auf das feuchte Schlachtfeld starren, auf dem er sterben würde.
Ihr Götter, ist es wirklich wahr? Ich kann nicht … Der Gedanke verging jedoch unvollendet. Es stimmte nicht, dass er es nicht glauben konnte. Das Problem war, dass er es durchaus konnte. Er konnte es nicht leugnen , obwohl er das seit Monaten schon versuchte. Er hatte gehofft und gebetet, hatte seine Instinkte zugunsten
angenehmerer anderer Möglichkeiten übergangen, die alle glaubhaft, sogar wahrscheinlich gewesen waren …
Doch das änderte nichts an den Tatsachen – er wusste ja doch, dass es geschehen würde. Die Schnitter in seinem Schatten konnten es spüren. Sie leckten sich bereits die Lippen nach dem Geist, der sofort befreit werden würde, wenn Isak starb.
Er konnte dem nicht entkommen. Er konnte nicht fliehen oder etwas vortäuschen oder Zeit schinden. Der Sand der Zeit war verronnen. Er konnte seine kämpfenden Männer nicht im Stich lassen und nach Hause gehen, denn dann würden sie abgeschlachtet werden, und das gäbe dem Feind einen Grund, nach Norden zu ziehen, weil er sich dann darauf verlassen könnte, dass Isak sich nur zu Hause verstecken mochte.
Die Farlan würden an einem Führer zerbrechen, der die Männer, mit denen er zog, im Stich gelassen hatte. Er musste den Befehl erteilen und auf einen stillen,
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