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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Der Gott holte unter seiner Robe einen funkelnden Edelstein hervor und hielt ihn in das schwache Mondlicht. Er sah aus
wie ein Rubin in der Gestalt einer Träne, halb so lang wie sein Daumen.
    »Die Träne eines Gottes. Nimm sie und trage sie immer bei dir. Wenn du mein Angebot annehmen willst, so schneide dich mit ihrer Spitze in die Wange.«
    »Und dann?«
    Karkarn schenkte ihm ein kaltes, schreckliches Lächeln. »Dann wirst du ein Teil von mir sein, göttlich und sterblich zugleich. Meine Geschenke haben ihren Preis – aber die Belohnung wird ewig währen.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten trat Karkarn zurück und wurde von den brodelnden Schatten verschlungen. Vesna blinzelte und starrte vor sich hin. Die Straße war leer und in eine bedeutungsvolle Stille gehüllt.
    »Die Träne eines Gottes?«, fragte er sich laut, dann bückte er sich, um sein Schwert an einer Leiche sauberzuwischen. Er zischte vor Schmerz auf, weil die Wunde an seinem Kopf dabei wieder aufklaffte. Er beendete die Reinigung und steckte das Schwert weg, um seinen Dolch dann auch wieder aufzuheben. Er tat es ohne darüber nachzudenken, denn viele Jahre der Übung hatten ihm dies eingebläut. Nachdem auch der Dolch gesäubert war, klopfte Vesna liebevoll auf die verbeulte Waffe und steckte sie wieder in den Gürtel.
    »Die Träne eines Gottes«, wiederholte er und stöhnte erneut auf. Er besah sich das Gemetzel um sich herum. »Im Augenblick wäre mir ein Pferd lieber.«
     
    Mihn band sein Pferd an dem Tor aus geschmiedetem Eisen an, das den Eingang zu dem kleinen Park darstellte und ging hinein. Tods Gärten befanden sich an der Rückseite eines uralten Schreins des Todes, der noch vor dem Haupttempel der Stadt errichtet worden war. Er war von einer hüfthohen Mauer und hohen Lorbeerhecken
umgeben. In seinem Innern konnte man darum schnell vergessen, dass man sich mitten in der Stadt befand. Im Dunkeln waren nicht mal die Türme der Stadt sichtbar. Mihn musste sich anstrengen, um den Kiespfad zu erkennen, denn das gelbe Licht Alterrs wurde von einer Wolke abgehalten.
    Das leise Prasseln eines Feuers durchbrach die Stille, und so ließ er sich von seinen Ohren die Richtung weisen. Die Hexe hatte ein doppellagiges Zelt am hinteren Ende des Parks errichtet. Es war an drei Eiben befestigt, die zu einer ungleichmäßigen Kuppel zusammengewachsen waren. Er ging den Weg entlang, aber kaum war er einige Schritte weit gekommen, da sprach ihn eine dunkle Stimme aus den Schatten an.
    »Es ist spät für einen Besuch.«
    Mihn erkannte Fernals grollende Stimme. »Störe ich?«
    »Nein, sie wird dich empfangen.« Fernal kam unter den Ästen der Eibe hervor und gesellte sich zu Mihn. Der riesige Halbgott witterte, als suche er nach weiteren Besuchern. »Sie ist es gewohnt, wach zu sein.« Er bedeutete Mihn mit einer Kralle, ihm zu folgen, was dieser auch wortlos tat. Fernal, ein Bastard des Gottes Nartis, wirkte auf eine Weise gelassen, die Mihn nur bewundern konnte. Mit seinem wolfsartigen, wilden Gesicht und seiner unglaublichen Größe wirkte er in einer Menschenstadt fehl am Platze, aber auch wenn er vermutlich nur zu gern in seine Heimat, die Wildnis Llehdens, zurückkehren würde, so merkte man ihm dies nicht an.
    Die Hexe stand neben dem Feuer, als sie das kleine Lager erreichten. »Braucht man mich im Palast?«, fragte sie, als Mihn nah genug herangekommen war, dass sie ihn erkennen konnte.
    »Nein, ich bin nicht im Auftrag eines anderen hier.«
    Sie legte den Kopf schief. Er konnte ihr Gesicht zwar sehen, es blieb aber zu ausdruckslos, wie das von Fernal. »Was kann ich dann für dich tun, Mihn ab Netren ab Felith?«

    »Ich kam, um zu fragen, was du über den Tod weißt.«
    »Unseren Gott oder seine Taten?«
    »Eher der Vorgang an sich.«
    Sie musterte ihn einige Augenblicke lang, dann wies sie zur Feuerstelle. »Bitte, setz dich zu mir. Trotz dieses Wollmantels musst du doch frieren.«
    Mihn kam ihrem Angebot dankbar nach, hockte sich hin, um seine Hände am Feuer zu wärmen. Fernal hob eine kleine Schale an und wies zu dem Topf, der über dem Feuer hing. »Etwas Warmes?«
    »Was ist es?«, fragte Mihn, als er die Schale dankend entgegennahm.
    »Brennnesseltee«, antwortete die Hexe von Llehden und setzte sich neben Mihn auf einen Baumstamm. Sie glättete ihr Kleid, so dass es ihre Fesseln ordentlich bedeckte. Er wusste, dass sie im gleichen Alter waren, aber in ihrer Nähe fühlte sich Mihn wie ein Kind – und die Erinnerung an ihre erste

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