Sturmbote
Magier Endine wirkte mit dünnen Armen und bleicher Haut und zusammengekniffenen Augen wie ein kränkliches Kind. Er reichte seinem Kumpan nur knapp bis zur Brust und wirkte immer besorgt, Cetarn könne ihn versehentlich zermalmen. Dennoch fand man ihn stets im Windschatten des großen Mannes. Wenn er mehr als zwanzig Schritt laufen müsste, würde er vermutlich sein Leben aushauchen, oder besser: auskeuchen.
Im gleichen Maße, in dem Endine durch seine Schwäche ständig gehetzt wirkte, war Cetarn durch seine ewig fröhliche Art schwer zu ertragen. Wie so oft bei Männern des gleichen Standes neckten und stritten sich die beiden fortwährend wie ein altes Ehepaar. Trotz seines zerbrechlichen Körpers war Endine ein vollwertiger Kampfmagier und beide hatten ein Gespür für die Feinheiten der Magie, das sie unverzichtbar machte.
Doranei und der König fanden sie schließlich auf dem Dachboden, einem verstaubten Gang, der sich unter dem Spitzdach erstreckte und mit alten Möbeln vollgestellt war. Sie standen sich an einem mit einem Tuch verdeckten Tisch gegenüber und stierten sich an.
»Meine Herren«, sagte der König warnend. »Wir werden uns zu dieser nachtschlafenden Zeit nicht streiten. Unsere Anwesenheit hier soll geheim bleiben. So etwas wie beim Geburtstag der Königin im letzten Jahr sollte besser nicht noch einmal geschehen.«
Cetarns Kopf ruckte herum. »Wenn Ihr glaubt, ich würde zulassen, dass er …«
»Du fetter, verlogener Klops«, quiekte Endine wütend und schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Genug, sagte ich!«, rief der König und brachte die beiden Männer zum Schweigen. »Wir haben Wichtigeres zu tun, als einen früheren Zwist weiterzuführen. Ich trug Euch auf, zu untersuchen, welche Art von Magie in diesem Haus verwendet wurde. Habt Ihr etwas herausgefunden?«
Die beiden warfen sich einen argwöhnischen Blick zu, dann trat Cetarn mit einem Schulterzucken vom Tisch zurück.
»Wenn hier Magie gewirkt wurde, so liegt sie zu weit zurück, um sie noch entdecken zu können. Gemessen an der Zeitspanne, von der Ihr spracht und der Unauffälligkeit, die ich bei einem solchen Spruch erwarten würde, ist das keine große Überraschung.«
»In dieser Stadt jedoch«, gesellte sich Endine hinzu, »wird eine Menge Magie gewirkt, so viel sogar, dass mir die Ohren schon geklingelt haben, bevor wir noch über die Mauer gekommen waren. In Scree gibt es keine Magierakademie, was bedeutet, dass sich in letzter Zeit entweder eine Menge Magier hier versammeln, oder dass etwas anderes vor sich geht. Es liegt eine ganze Reihe von verschiedenen Gerüchen in der Luft.«
»Könnt Ihr sie auseinanderhalten, ihre Natur bestimmen?«
»Mit der Zeit auf jeden Fall«, sagte Endine und nickte. »Heute Nacht werden wir diesen Ort vorbereiten und absichern. Ich werde Tremal eine Liste benötigter Dinge geben, so dass die Bruderschaft sie morgen besorgen kann.« Endine lächelte nervös. Er war selbst ein zwanghafter Dieb und bewunderte Harlo Tremal, der beinahe alles stehlen konnte. »Wir brauchen einen halben Tag für die Rituale, um dieses Haus auf die übliche Weise abzuschirmen. Und ein weiterer halber Tag sollte reichen, damit wir uns mit unseren Dämonenvertrauten besprechen können. Dann
können wir damit beginnen, das Machtgespinst dieser Stadt zu untersuchen.«
»Gut. Bevor Ihr aber tatsächlich damit beginnt, solltet Ihr wissen, dass Doranei den Abend mit Zhia Vukotic verbracht hat.«
Endine erblasste.
»Ich glaube nicht, dass sie eine Gefahr für uns darstellt«, fuhr der König fort, »aber ich muss Euch wohl kaum daran erinnern, dass alle Vampire sehr leicht zu reizen sind und Zhia zudem einen Kristallschädel besitzt. Haltet Euch von ihr fern.«
»Ja, Euer Majestät«, antwortete Cetarn und stieß Endine an, der nickte, dabei aber aussah, als sei ihm schlecht. Dann blickte Cetarn mit einem Mal nachdenklich drein. »Das würde so einiges erklären. Wirst du sie wiedersehen?«
Doranei lief ein Schauer über den Rücken, als sich ihm alle erwartungsvoll zuwandten. »Ich … also, nun, vielleicht wäre das möglich.«
»Hervorragend. Versuch herauszufinden, wie oft sie den Schädel nutzt.«
»Und wie soll ich so was herausfinden?«, fragte Doranei entsetzt.
»Das ist mir gleich.« Cetarns dicke Lippen wurden von einem Lächeln geteilt. »Auf jede erdenkliche Weise. Ich meine, dass sich die reine Masse an Magie, die in dieser Stadt genutzt wird, weitgehend durch ihre Verwendung des
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