Sturmbote
Kristallschädels erklären ließe, auch wenn ich von der Plumpheit eines solchen Vorgehens doch recht enttäuscht wäre.«
Er verstummte gedankenverloren und blickte stirnrunzelnd zu Boden. »Aber ich schätze, dass die Lage es wohl nötig gemacht hat.«
»Und Ihr solltet wissen, Euer Majestät«, sagte Endine, als sein Kollege wieder schwieg, »dass sich ein Nekromant in der Stadt befindet.«
Emin blickte Doranei an. »Könnte es Zhia sein?«
»Gewiss«, erwiderte Endine und Doranei sagte gleichzeitig: »Nein.« Der Mann des Königs hatte eigentlich gar nichts sagen wollen und war beschämt, dass die Worte seinem Mund entfleucht waren. Emin warf ihm einen undeutbaren Blick zu, der länger anhielt, als es Doranei genehm war, sagte dann aber doch nichts dazu.
»Man sollte meinen, dass ein unsterblicher Vampir in der Nekromantie sehr bewandert sein sollte. Das liegt nur nahe. Ob sie sich wirklich damit abgibt, ist weniger klar – diese Kunst könnte unter der Würde einer Magierin von ihrer Macht sein.« In Endines Stimme schwang Bewunderung mit. Sie erinnerte Doranei an die Erzählung König Emins von seinem ersten Treffen mit Zhia in Narkang. »Ich glaube nicht, dass sie ihre Fähigkeiten oft auf dieses Maß einschränkt – und was wir gespürt haben, hat deutlich größere Ausmaße. Da ist jemand mit großer Kunstfertigkeit und Macht am Werk, der sich nicht davor fürchtet, bemerkt zu werden.«
Endines Ausdruck wurde hochmütig. »Natürlich kann man von den Scree-Magiern oder den verbleibenden Magiern des Weißen Zirkels nicht viel erwarten. Sie sind sicher nicht so erfahren wie Cetarn oder ich, es könnte also auch einfach so sein, dass sich der Nekromant den Magiern der Stadt überlegen fühlt.«
»Das wollen wir nicht hoffen«, sagte Emin. »Nun, Doranei, wie es scheint, müssen wir dir wohl etwas zum Anziehen besorgen, das besser zum Theater passt. Meine Herren, das Wichtigste ist nun, den Nekromanten aufzuspüren. Ich vermute, dass in den kommenden Wochen wenig dem Zufall überlassen sein wird. Vielleicht ist auch diese Hitze schon ein Teil des Ganzen. Azaers Spiele sind verschachtelt, meist schwer zu durchschauen, aber sie verfolgen immer einen Zweck. Die Anwesenheit eines mächtigen
Nekromanten in der Stadt ist mit Sicherheit Teil des Spiels. Ich will, dass er oder sie gefunden wird. Je mehr Teile des Puzzles wir finden, umso größer sind unsere Chancen, Azaers Pläne für Scree zu vereiteln. Ich befürchte, dass dies das bisher dreisteste Unterfangen des Schattens sein wird, und die Suppe will ich ihm versalzen.«
17
Der Abend war heiß und stickig. Die Dämmerung hatte nur wenig Linderung von der grausamen Hitze des Tages gebracht und die Kopfsteine des Pflasters gaben Wärme ab – wie ein langsam abkühlender Herd. Mayel saß in der stehenden Luft an eine Ziegelmauer gelehnt und trank warmes Bier, das seinen Durst nicht löschte. Neben ihm musterte Shandek die Passanten und fuhr sich gelegentlich mit der Hand durch das lange, fettige Haar, als könne er die Hitze wegwischen.
Brohm war nicht bei ihnen. Shandek hatte den großen Mann und Shyn, einen anderen seiner Schläger, mit einem Auftrag losgeschickt, an dem Mayel keinen Anteil hatte. Mayel hatte nicht nachgefragt. Shandek hatte ihm dies verschwiegen, um ihm zu zeigen, dass er noch nicht in den inneren Kreis seiner Vertrauten vorgedrungen war und dies auch erst geschehen würde, wenn er etwas von dem Gewinn eingestrichen hatte, den Mayel ihm versprochen hatte. Man nahm sich vor Shandek in Acht, auch wenn man mit ihm verwandt war. Mayel wusste, dass Shandeks Geduld langsam aufgebraucht war.
Der glühende Griff des Sommers hatte Scree eine träge Lebensweise aufgezwungen. Die Sonne herrschte grausam und so blieb den Leuten nur ein Leben im Zwielicht. Sie versuchten in der Nacht und während der heißesten Stunden des Tages zu
schlafen, so dass nur die Morgen- und Abenddämmerung für das Tagwerk blieben. Die Luft war dick, raubte einem die Kraft und machte die Haut klebrig. Für Mayel war es sogar anstrengend, seinen Becher zu heben. In den letzten Wochen hatten immer wieder schreckliche Stürme die Stadt heimgesucht. Wenn der eine abgeflaut war, hatte ein anderer schon wieder Schwung geholt. Der nächste war bereits lange überfällig.
Mayel fand diese Art zu leben ausgesprochen anstrengend. Diese seltsam zerteilten Tage zermürbten die Leute. Die Standbesitzer rund um das Theater neckten sich nicht mehr laut rufend, sondern
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