Sturmbote
unterhalb des Pflasters endete.
»Und in welche der sechs Höllen Ghennas bist du heute gestürzt ?«, fragte eine sanfte Stimme aus der Dunkelheit dahinter.
»Eine der reizvolleren, Beyn«, antwortete Doranei. »Ist alles gutgegangen?«
»Alle anwesend und wohlauf. Wir dachten, man hätte dich erwischt.«
»Das haben sie auch beinahe. Ich hätte ganz sicher kaum weiterlaufen können.«
»Und?«
Doranei kannte Beyn nicht sonderlich gut, obwohl sie seit sieben Jahren in derselben Einheit dienten. Abgesehen vom gemeinsamen Dienst für den König wusste er über Beyn nur, dass er sich gern die Zeit damit vertrieb, Frauen mit seinem guten Aussehen zu bezirzen – meist nur der Herausforderung wegen.
»Also bin ich stattdessen ins Theater gegangen.«
»Ins Theater?« Für einige Augenblicke war es still, dann hörte er Beyn kichern.
Über kurz oder lang entwickelten alle Brüder einen eher verdrehten Humor, der sich vor allem in den verrückten Wetten zeigte, die sie ständig miteinander abschlossen. Doranei wusste, dass seine Geschichte sie alle amüsieren würde. »Nun, ich hoffe, es hat dir gefallen. Jetzt erstatte dem König Bericht.«
Trotz der Kopfschmerzen und der Verletzungen musste Doranei schmunzeln. Für kurze Zeit war er interessant, dann durfte er aber auch schon wegtreten. Das war Beyn, wie er ihn kannte, reserviert, manchmal unerträglich, aber immer pflichtbewusst. Doranei ging durch den Raum zur anderen Tür. Als er sie öffnete, sickerte schwaches Licht aus dem Flur und er sah Beyn dort sitzen, die Armbrust gespannt und auf die Tür zur Straße angelegt. Sie nickten sich zu und dann machte er sich auf die Suche nach dem König.
Das unauffällige Haus war für die dreißig Männer der Bruderschaft und die Handvoll anderer Männer, die den König begleiteten, groß genug. Es war überraschend gut gebaut, denn er hörte nur ein leises Murmeln vom anderen Ende des Ganges. Doranei dachte an den Erbauer dieses Hauses, einen in der Stadt sehr
bekannten Künstler namens Pirlo Cetess. Er würde ihn gerne wiedersehen – falls er noch am Leben war. Im Haus fand sich kein Trauerflor, also lagen sie mit ihren Vermutungen falsch, obwohl keine Antwort auf ihre Nachrichten erfolgt war. Er hoffte es sehr.
»Doranei, gut, dass du dich zu uns gesellst«, sagte König Emin, als Doranei den Empfangssaal betrat. Der König blickte von den Papieren nicht auf, die vor ihm auf dem großen Mahagonitisch verstreut lagen. Im Licht der Fackel rasierte Sebe einen der Brüder. So war es in der Bruderschaft: Man vertraute nur einem anderen Mitglied weit genug, um sich eine Klinge an den Hals legen zu lassen. Seit Ilumene durchgedreht war, einige der besten Freunde des Königs aufgeschlitzt und dann auch noch seinen Namen in den Bauch der Königin geschnitten hatte, fiel es einem vielleicht etwas schwerer. Aber Vertrauen musste nun einmal sein, und natürlich durfte es keine Spiegel im Haus geben. Eine Spiegelung schien nicht wirklich genug zu sein – und damit einem Schatten zu ähnlich.
Der König trug ein graues Wams und eine ebensolche Hose. Die schwarzen Säume unterschieden ihn von seinen Männern, aber nicht von den Schatten. »Bist du verletzt?«, fragte er.
»Nicht sehr, aber es wird wohl einige Tage dauern, bis ich meinen linken Arm wieder benutzen kann.«
»Hast du wieder mal versucht, die Wachhunde zu füttern?«, fragte er und lachte grimmig auf.
Veil, der die Schale mit Rasierseife auf seinen Knien balancierte, schmunzelte. Sebe hielt in seiner Arbeit inne, um sich das verfilzte Haar aus dem Gesicht zu streichen und Doranei anzugrinsen, wobei sich seine vernarbten Wangen in Falten legten. Doranai zuckte nur die Achseln. Als er fünf Sommer alt gewesen war, hatte Doranei seine Hand durch die Stangen eines Tores gesteckt und versucht, einen Hund zu streicheln. Der Wachhund
hatte ihn ein Stück seines kleinen Fingers und seiner kindlichen Unschuld gekostet, aber er hatte seine Lektion gelernt. Obwohl man es seit Jahren in Doraneis Anwesenheit nicht mehr erwähnt hatte, hatte sich der König daran erinnert.
»Ich war im Theater, Euer Majestät.« Nun blickte König Emin doch auf, wie Doranei zufrieden feststellte. »In Begleitung von Zhia Vukotic.«
Nun ging der König so weit, eine Augenbraue zu heben. »Na, das ist aber eine interessante Entwicklung der Ereignisse. Ich frage mich nur, wie du es geschafft hast, im Theater verletzt zu werden.« Der König richtete sich auf und wies auf eine kleine
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