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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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waren, konnten sich wieder daraus befreien.
    »Größtenteils«, gab Vesna zu. »Bei meinem Ritterschlag bekam ich natürlich ein Lehen, aber sein Wert entspricht gerade mal einem Drittel meiner Schulden für das Anwesen. Vielleicht sollte ich es doch einmal mit dem Handel versuchen, jetzt, da ich für das Kämpfen langsam zu alt werde.«
    »Unfug«, sagte Tila. »Lord Isak vertraut dir von allen Männern im Stamm am meisten. Es gilt als sicher, dass er dich als Ablösung für General Elierl nach Lomin entsenden wird. Es gibt dort keinen Herzog, darum braucht er an der Ostgrenze dringend einen erfahrenen Kommandanten.«
    »Und wenn ich das nicht will?«, fragte Vesna traurig. »Was, wenn mir die Nerven dafür fehlen und ich nur noch einen schlechten Ruf besitze und nicht einmal ein Kind habe, dem ich meine Waffen vermachen kann?«
    »Aber das stimmt doch nicht«, widersprach Tila energisch. »Du hast noch immer starke Nerven, sonst wärst du nicht bis hierhergekommen, sondern vor Tor Milist gestorben. Es ist nur menschlich, an sich selbst zu zweifeln, aber du würdest nicht zögern, dich bei einer Gefahr vor deinen Lord zu stellen – und da wir gerade dabei sind: Glaubst du denn, Lord Isak hatte niemals Selbstzweifel? Er ist nicht viel älter als ich und wuchs in einem Wagenzug auf. Und doch erwarten wir jetzt von ihm, dass er Entscheidungen fällt, die das Schicksal ganzer Nationen bestimmen.
Lordprotektoren, Herzöge und Hohepriester ordnen sich ihm in Fragen der Theologie und der Prophezeiungen unter. Isak muss sich doch aufs Äußerste vor dem Leben fürchten, das er jetzt führt.« Ihre Stimme wurde sanfter. »Seinetwegen musst du die Zweifel kennenlernen, die jeder gesunde Mann hat, sonst bist du vielleicht nicht da, wenn er den richtigen Pfad aus den Augen zu verlieren droht.«
    Sie hörten Schritte auf der Treppe, die aus dem ungenutzten Arbeitszimmer hinaufführte, und als sie sich umdrehten, kam Oberst Jachen in Sicht. Isaks Kommandant der Wache wirkte immer eingeschüchtert, wenn er gezwungen war, sie zu stören. Er kam offenbar direkt aus dem Bett und war unterwegs an keinem Spiegel vorbeigekommen, denn sein Haar klebte auf der einen Seite an seinem Kopf und stand auf der anderen zu Berge. Er trug ein weites Leinenhemd und trotz des heißen Wetters den Kriegerkilt eines Chetse.
    Das war das erste Mal, dass Vesna einen Farlan Chetsekleidung tragen sah. Sie war augenscheinlich für Jachen angefertigt worden, denn er war größer als die meisten Chetse und doch reichte ihm der Kilt bis zu den vernarbten Knien. War das ein weiteres Zeichen dafür, wie weit Jachen gereist war, um seiner Vergangenheit zu entgehen?
    Vesna lächelte in sich hinein und atmete den feinen Geruch von Tilas Haut ein. Er selbst hatte seinen alten Ruf hinter sich lassen dürfen, als er in Isaks inneren Kreis aufgenommen wurde. Vielleicht lag Vergebung ja auch in Jachens Reichweite.
    »Graf Vesna, Dame Tila. Lord Isak erbittet Eure Anwesenheit.« Jachen klang unbeholfen, als sei ihm die Formalität seiner neuen Stellung noch fremd. »Wir haben Besuch«, fügte er hinzu. »Eine Frau, offenbar eine der weiblichen Getreuen des Haushofmeisters.«
    Vesna stand auf und hielt Tila die Hand hin.

    »Oberst, habt Ihr in letzter Zeit genug geschlafen?«, fragte sie unvermittelt. Jachens gerötete Augen und seine blasse Haut ließen ihn aussehen, als habe er zwei Tage durchgesoffen. »Dafür, dass Ihr gerade aufgewacht seid, wirkt Ihr nicht eben ausgeruht.«
    »Ich schlafe in dieser Hitze schlecht und habe Kopfschmerzen, seit wir hier angekommen sind«, gab er zu.
    »Aber Ihr seid doch an die Hitze gewöhnt?« Vesna wies auf seinen Kilt. Die Chetse lebten weit im Süden und der Großteil ihres Gebiets lag praktisch in der Wüste. Jachen musste dort gedient haben, wenn er sich angewöhnt hatte, einen Kilt zu tragen.
    »Diese Hitze ist nicht normal«, sagte Jachen. »Aber Ihr habt recht, das allein sollte mir noch nicht den Schlaf rauben. Es fühlt sich an, als läge etwas in der Luft, wie ein Lied, das aber zu leise ist, um es zu verstehen. Ich bin froh, wenn wir diese Stadt wieder verlassen.«
    »Wie steht es mit Euren Träumen?«
    Ein gehetzter Ausdruck zuckte über Jachens Gesicht. »Was soll damit sein?«
    »Ihr seht mir nicht so aus, als hättet Ihr in letzter Zeit gewöhnliche Träume gehabt.«
    Der Kommandant senkte den Blick und fragte leise: »In letzter Zeit? Seit Jahren schon nicht mehr.« Er hustete und wandte sich zum Gehen. »Lord

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