Sturmbote
Lord?«, fragte Herzog Vrill und wirkte etwas beunruhigt. Er wusste offensichtlich auch nicht mehr als sie.
»Eine kleine persönliche Angelegenheit«, grollte Lord Styrax. »Meine Herren, ich schlage vor, dass Ihr leise bleibt, egal was geschieht. Es mag Euch das Gerücht zu Ohren gekommen sein, dass ein Wesen aus dem Finsteren Ort glaubte, schlau genug zu sein, um die Seele meines Sohnes mit einer magischen Rüstung zu versklaven.« Während er sprach, öffnete er seinen Mantel und ließ ihn zu Boden fallen. Darunter trug er die Rüstung, die er dem Vampirlord Koezh Vukotic abgenommen hatte, nachdem er ihn im Zweikampf besiegt hatte. Auf seinem Rücken ruhte das große Breitschwert mit den zwei Zacken, das er von seinem Vorgänger geerbt hatte.
Das ist kein Zufall, dachte Dev. Du trügest nicht deine volle Rüstung, wenn du damit nicht gerechnet hättest. Du hast es beschworen!
»General Dev, wenn ich mich recht an meine Studien erinnere, ist Tsatach ein Gott, der sehr strenge Vorstellungen von Ehre und dem Einhalten von Schwüren hat, liege ich da richtig?«
»Ja, aber Euer Sohn hat dem Dämon doch sicher keinen Schwur abgelegt?«, sagte der General. »Ich dachte, Dämonen könnten nur Gestalt annehmen, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu schafft.« Ihr Götter, dachte er, wenn nun ein Dämon Gestalt annimmt und seinen Preis einfordert? Du glaubst, Tsatach würde das in seinem eigenen Tempel geschehen lassen, weil er sich der Ehre verpflichtet fühlt?
»Ich glaube, das trifft zu«, sagte Styrax und wies auf seinen kränklich wirkenden Sohn. »Und darum habe ich ihm die Möglichkeit
eröffnet. Um meinen Sohn aus der Sklaverei des Dämonen zu befreien, musste ich ihm etwas anderes bieten. Ich schwor ihm darum die Treue.«
Die versammelten Chetse schnappten nach Luft. Keiner von ihnen war ein Magier und trotz ihrer Stellung hatten sie wenig Ahnung von der übernatürlichen Seite des Landes. Jeder vernünftige Mann kannte jedoch den Preis für einen solchen Schwur.
»Ihr schließt Abkommen mit Dämonen?«, stieß Dev hervor.
Lord Styrax grollte und zog Kobra aus der Halterung. »Ich werde nicht danebenstehen und zusehen, wie ein Dämon seine Spielchen treibt, und wenn er auch ein Prinz unter seinesgleichen ist. Jetzt ist mein Sohn frei und ich war in der Lage zu entscheiden, was als Nächstes kommt.«
»Und was habt Ihr gewählt?«, murmelte Dev, der kaum glauben konnte, was er hörte.
»Was glaubt Ihr?«, fragte das Weißauge lachend, seine Augen funkelten. »Das Wesen kann vielleicht meine Seele aus meinem toten, kalten Leib stehlen, aber es bekommt sie nicht kampflos.«
Er stand groß und bedrohlich im morgendlichen Licht und ließ die breiten Schultern kreisen, was auch die unnatürlich schwarze Rüstung mit den perlenbesetzten Wirbeln in Bewegung brachte.
Die gezahnte Spitze seines Schwertes leuchtete in einer ungezähmten Macht, und der Kristallschädel, der in den Handschutz eingelassen war, blendete General Dev kurz, als die schwachen Sonnenstrahlen hineinfielen.
Der alte Mann wich vor der beinahe greifbaren wilden Stärke des Mannes unwillkürlich einen Schritt zurück. Wieder ging eine Erschütterung durch den Fels unter seinen Füßen, diesmal näher. Der Dämon war nicht mehr weit entfernt.
Das Weißauge drehte sich um und ging in den Tempel, um seinen Helm zu holen. Die Chetse-Soldaten tauschten Blicke
aus und wussten nicht, was sie tun sollten. Dev riss sich zusammen und blickte zu den Menin, um zu sehen, wie sie reagierten. Aber Herzog Vrills und General Gaurs Züge blieben ausdruckslos. Entweder wussten sie genau, was vor sich ging, oder waren geistesgegenwärtig genug, sich ihre Verwirrung nicht ansehen zu lassen.
Es machte ihm jedoch mehr Sorgen, dass Kohrad Styrax plötzlich lebhafter wirkte. Ein Glänzen lag in seinen Augen und er saß aufrechter da, als warte er auf etwas.
Im Tempel hatte Lord Styrax unterdessen seinen Helm aufgesetzt und vollführte eine komplizierte Angriffsbewegung, als wäre dies seine ganz gewöhnliche Morgenübung. Wieder erzitterte der Boden, aber diesmal war es eher ein beständiges Beben, wie die Schritte einer ganzen Armee von Seelen. Dunkle Schemen huschten im Innern umher, aber Lord Styrax beachtete die wogenden Gestalten nicht, sondern blieb bei den langsamen, fließenden Bewegungen.
Hinter Dev stieg mit einem Mal ein Wind vom Boden auf, der Staubfäden um seine Füße wirbelte und sie dann in engen Spiralen an den schweren Säulen hinaufwandern
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