Sturmbote
ich für Euch fühle.«
»Das weiß ich nur zu gut«, sagte sie traurig. »Bei der Wahl der Seiten entsteht die größte Pein.«
Sie lehnte sich vor und nahm ihm den Helm ab, um ihn dann überraschend eindringlich und mit spürbarem Verlangen zu
küssen. Sie drückte ihn für einige Augenblicke an sich, zog ihn mit einer Hand in seinem Haar zu sich und hatte die Hand auf seine Brust gelegt, als wolle sie sein Herz berühren.
»Darum sollte man die Gegenwart stets auskosten«, flüsterte sie, als sich ihre Lippen voneinander lösten. »Vergiss nie, das Besondere zu genießen, wenn du es vor dir hast.«
Doranei nickte, fand jedoch nicht die richtigen Worte. Er blickte Zhia an und spürte dabei etwas an seiner Unterlippe. Er fasste dorthin und fand einen einzelnen Tropfen Blut. Erschrocken riss er die Augen auf.
Zhia lächelte kokett. »Damit du dich an mich erinnerst, und auch für mich eine Erinnerung.« Bevor er antworten konnte, sprach sie weiter: »Keine Sorge, mein Süßer. Du wirst nur eine Narbe davon zurückbehalten.« Sie machte eine Geste. »Ich glaube, da möchte gerne jemand weitergehen.«
Doranei blickte auf und sah, dass Mikiss sie gerade böse anstarrte. »Können wir ihm wirklich vertrauen?«, fragte er.
Zhia winkte ab. »Sie sind in den ersten Tagen immer ein bisschen launisch. Mikiss wird bald genug wieder fast er selbst sein.« Sie zeigte auf sein Schwert, das noch immer am Baumstamm lehnte. »Komm jetzt, mein Lieber, wir haben noch etwas zu tun.«
Sie bewegten sich nun schneller, aber noch immer so leise wie möglich, Mikiss weiterhin an der Spitze. Nur die Vampire hatten ihre Waffen noch nicht in der Hand. Zhia hatte ihr Schwert mit dem langen Griff in Doraneis Beisein noch nie gezogen. Die einzige Person, die es an den Akolythen vorbei bis zu ihr geschafft hatte, war mit einem nachlässigen Rückhandschlag belohnt worden. Nachdem alle anderen Angreifer besiegt worden waren, hatte Doranei den Jungen mit seinem Messer erledigt. Er hatte ihn auf fünfzehn Sommer geschätzt, aber das war schwer zu sagen gewesen, während er sich mit einem Gesicht am Boden wälzte, das bis zur Unkenntlichkeit eingeschlagen war.
Das Feuer hatte ungezügelt gewütet und Doranei konnte die Hitze noch immer auf den Wangen spüren, sobald der Wind drehte, was er mit verräterischer Häufigkeit tat. König Emin hatte die weiterbrennenden Bereiche in einem großen Bogen umgangen, und der Boden auf seinem Weg war sicherlich genauso heiß und gesprungen wie unter Doraneis Füßen. Er wusste nicht, wie lange die Feuer hier schon ausgebrannt waren, an vereinzelten Stellen stieg noch Rauch auf und die Steine, die überall herumlagen, waren so heiß, dass man sich daran verbrennen konnte, wie Sebe schmerzhaft hatte erfahren müssen. Er hatte Doranei danach ein nervöses Lächeln geschenkt und beschämt zur Kenntnis genommen, dass man ihn bei dieser Dummheit beobachtet hatte.
Sebe hatte sich von Doranei ferngehalten, seit Zhia zu ihnen gestoßen war. Normalerweise traf man sie beide stets Seite an Seite an, denn sie waren zusammen aufgewachsen, vom Waisenhaus bis zur Bruderschaft. Sie waren praktisch Brüder, in jedem Sinne. Jetzt beobachtete Sebe das Liebespaar, versuchte herauszufinden, was da genau zwischen ihnen passierte und was es für den Rest der Bruderschaft bedeutete.
Doranei machte sich jedoch keine Sorgen, denn Sebe hatte sich beim letzten Angriff sofort Rücken an Rücken mit ihm gestellt. Sie kämpften gut zusammen, und wenn Sebe auch Zweifel hegte, so würden sie doch nur mit dem König geteilt und auch nur dann, wenn er danach fragte.
Nicht einmal Beyn würde etwas unternehmen, solange keine Beweise vorlagen. Und wenn dies der Fall wäre, wäre Doranei jetzt schon nicht mehr am Leben. Normalerweise wurde der verderbte oder verräterische Bruder in Sicherheit gewiegt, bis Coran eines Tages auf einer verlassenen Straße hinter ihm auftauchte … und dann würde im Namen des Königs Gerechtigkeit geübt werden.
Nur Ilumene hatte diesen Augenblick vorausgeahnt – und nur Ilumene hatte ihn überlebt. Doranei seufzte. Ilumene, der Sohn, der König Emin immer versagt geblieben war. Er war mit Ilumene befreundet gewesen, bevor er zum vollwertigen Mitglied der Bruderschaft wurde. Der Mann war wirklich liebenswert gewesen. Es war von Anfang an klar gewesen, dass er der Erste unter Gleichen war, doch nicht einmal die Veteranen konnten ihm deswegen böse sein. Durch sein freundliches Lächeln und seinen scharfen
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