Sturmbote
einen Weg auf die andere Seite. Coran blieb am Ende der Treppe stehen. Er vertraute nicht genug auf seine Selbstbeherrschung, um näher zu kommen, bis er gebraucht wurde. Er ließ den Streitkolben mit einem Zischen durch die Finger gleiten, bis das beschlagene Ende mit einem sanften Hieb auf dem Boden ankam.
Der Lehnstuhl war beschädigt und schmutziggraue Polsterung quoll aus den Rissen des abgenutzten Stoffes. Rojak lag mit dem rechten Arm ganz auf der Lehne auf und die Finger hingen schlaff über den Rand. Die andere Hand lag in seinem Schoß. Er versuchte gar nicht erst, sich umzudrehen. Trotzdem würde zuerst der König in sein Sichtfeld treten.
Doranei blickte sich erneut um. Es gab keine Orte, die sich so offensichtlich für einen Hinterhalt anboten, aber er wollte wirklich sichergehen und lehnte sich darum über die abgebrochenen Holzpfähle, die als einzige von der Wand übrig geblieben waren.
Es gab keine Umläufe oder Simse, auf denen sich jemand hätte verbergen können. Die Wand fiel steil bis zu der Stelle ab, an der die Hälfte der Bruderschaft in einer Art Halbkreis um die Vordertreppe verteilt stand oder saß. Als Doranei hinabsah, blickten Endine und Beyn nervös zu ihm auf. Der blonde Soldat nickte Doranei gelassen zu, aber der kleine Magier fiel vor Schreck beinahe um, als er sein Gesicht auftauchen sah.
»Bitte gestattet, dass ich mich vorstelle«, sagte Rojak nun.
Doranei stürzte vor Schreck beinahe kopfüber hinab, fing sich aber gerade noch rechtzeitig und drehte sich um. Jetzt konnte er dem Barden ins Gesicht sehen.
»Das wird nicht nötig sein«, sagte König Emin gefasst. Er stellte sich direkt vor Rojak hin und steckte sein Schwert weg, nachdem er ihn eingehend gemustert hatte.
»Nein? Nun, Ihr habt zumindest Eure Waffe weggesteckt, das soll als Höflichkeitsgeste reichen.«
»Ich sehe keinen Grund dafür, höflich zu sein«, sagte der König und griff in die Tasche. »Aber da ich in seiner Begleitung hier bin, brauche ich kein Schwert, und eine Zigarre wird wohl deinen Gestank überdecken können.« Emin nickte Doranei zu, griff in den Kragen seines Wamses und zog ein Täschchen aus versteiftem Leder hervor. Der Mann des Königs winkte seinen Kameraden zu, und wenig später warf ihm Beyn ein Stück Holz hinauf, das Endine mittels Magie an einem Ende entzündet hatte. Der König hatte mittlerweile eine Zigarre in der Hand und das Täschchen wieder weggepackt.
»Wie unterhaltsam, Eure Hunde beherrschen Kunststücke«, sagte Rojak heiser. Doranei behielt den Barden im Auge, während er dem König das Feuer hinhielt, damit dieser seine Zigarre daran entzünden konnte. Rojaks Körper war steif und nur seine Augen und der Mund bewegten sich. Aber Doranei hielt die Axt trotzdem bereit.
Vorsicht hat noch nie jemanden umgebracht , hörte er die Stimme eines Verbrechers, der ihn als Kind ausgebildet hatte, in seiner Erinnerung sagen.
Das Licht des Feuers offenbarte mehr Einzelheiten, auch wenn es die Schatten um Rojak herum verdichtete. Seine Gesichtshaut hing schlaff herab und war von Altersflecken und hässlichen Quaddeln übersät, die auf eine schwere Krankheit deuteten. Doranei hob die Fackel, um Rojaks schmutzige Kleidung besser erkennen zu können. Der Barde hatte sich mehr als einmal beschmutzt, und große Schweißflecken zeigten sich in dem einstmals grünen Wams, aber seine Augen funkelten unvermittelt wild und boshaft. Er war gleichermaßen abstoßend und bemitleidenswert.
»Ihr müsst Doranei sein«, krächzte Rojak. »Ilumene sagte schon, dass Ihr an der Seite Eures Königs stehen würdet. Der neue Liebling, bei dem man sich darauf verlassen kann, dass er friedlich und gehorsam bleibt.«
»Es verrät einem alles, was man über Ilumene wissen muss«, unterbrach der König, »und zwar, dass er sich selbst nur für ungehorsam hält.«
»Das stimmt gewiss.«
Das atemlose Kichern überraschte Doranei, aber der Gesichtsausdruck des Königs veränderte sich nicht. Er blickte weiterhin eindringlich und starr auf den Barden.
»Ich vermute, Ilumene ist noch immer etwas neidisch auf seinen Ersatzmann, weil dieser Tugenden besitzt, die ihm versagt bleiben.« Rojak öffnete den Mund und zeigte eine wunde, aufgesprungene Zunge. »Aber was ist es, das uns ausmacht, wenn nicht unsere kleinen Fehler?«
»Viele Dinge«, gab König Emin sofort zurück. »Du scharst die Gebrochenen und Schwachen um dich, und das ist deine eigene Schuld. Die Schwachen haben nichts als ihr Versagen.
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