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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Verschone
uns mit deinen giftigen, leeren Worten. Wir sind nicht an ihnen interessiert.«
    »Leer? Aber das sind sie ganz und gar nicht.« Wieder lachte Rojak, und seine gemarterte, faulige Gestalt bebte dabei vor Anstrengung. »Was habt Ihr nicht alles gesehen, an diesem Ort des Todes, und doch seht Ihr es nicht. Ihr sagt, ich solle Euch mit Lügen verschonen, aber ich habe nur die Wahrheit zu bieten, und die ist nun ausgesprochen. Ausgesprochen und aufgeschrieben. Vervielfältigt, verzeichnet, übersetzt und studiert. Ich bin der Herold des Zwielichts und meine Worte an Euch wurden schon vor langer Zeit gesprochen.«
    »Du hast hier gewartet und deine Wachen geopfert, nur um mich ein letztes Mal zu verhöhnen?«
    »Sie sind unwichtig, ich hatte keine Verwendung mehr für sie.« Das Flüstern war nun kaum noch zu hören und Doranei beugte sich vor, um es überhaupt zu verstehen. »Ich bin hier, weil meine Queste mich herbrachte, und ich genieße den Ausdruck auf Euren Gesichtern. Ich bin mehr als ein dutzendmal so nah an Euch vorbeigegangen, dass ich Eure hochwohlgeborene Stirn hätte berühren können. Es erfüllt mich mit Befriedigung, dass ich mich Euch erst jetzt offenbare, da Ihr mir mit jedem erdenklichen Racheakt Eurerseits nur einen Gefallen tut.«
    Er versuchte die Hand aus dem Schoß zu heben, aber die zur Klaue verkrümmten Finger rührten sich nicht. Er stöhnte vor Schmerz auf. »Seht Ihr?«, fragte er durch zusammengebissene Zähne. »Pein ist alles, was mir bleibt. Eure Vergeltung wird mein Leiden nur beenden. Ilumene hat mir alles erzählt, darum weiß ich, wie der Untergang dieses kleinen Dorfes Euch beide beeinflusst hat … und jetzt steht Ihr hier vor mir, machtlos.« Mit großer Willensanstrengung schaffte es Rojak nun doch, die Hände einen Augenblick lang zu heben. Er drehte die Handflächen nach oben, wie ein Priester, der ein Dankgebet sprach. »Habt Ihr
Euch diesen Augenblick so vorgestellt? Dass der Feind zerschlagen wurde und Euch hilflos ausgeliefert ist?«
    Doraneis Kehle war trocken. Er musste schwer schlucken und sich die Lippen befeuchten, bevor er sprechen konnte. »Ich habe mir diesen Augenblick oft genug vorgestellt und Ilumene davon berichtet, als die Erinnerung an Disteltal noch frisch war. Die Familie meiner Mutter kam von dort, aber ich habe den Ort später erst auf meiner ersten Mission als Mann des Königs besucht. Ich kehrte zu abgenagten Knochen und Blutspuren zurück, zu Baumgeistern, die sich an Kinderseelen überfressen hatten und ihre Gesichter trugen, als Ilumene und ich sie töteten.
    »Ja, ich habe über diesen Augenblick nachgedacht, aber mein König hat mich gelehrt, dass Hass uns vergiftet. Ich habe gesehen, was der Hass aus einem Mann machen kann und ich will nicht genauso enden. Als ich diese Stadt erreichte, befahl mir mein König, dafür zu sorgen, dass es um mehr als um Rache gehen sollte, wenn dieser Tag käme. Du sagst, Ilumene sei auf meine Tugenden neidisch. Das überrascht mich nicht, denn mir fehlt zwar seine körperliche oder geistige Stärke, aber genau das macht meinen Vorteil ihm gegenüber aus.«
    Er räusperte sich und wusste, dass nun der Blick der beiden Männer auf ihm ruhte, die sein Leben am stärksten beeinflusst hatten. »Ich verstehe, was es bedeutete, ein Mensch zu sein: unzureichend zu sein. Ilumene hat nur eines in unzureichender Menge besessen, und das war Verständnis. Darum ist er geringer, als ich es bin, und ebenso leer wie du. Ich habe bald erkannt, dass ich keine Worte haben würde, die ich an dich richten wollte, wenn dieser Augenblick einst käme, denn es gibt nichts zu sagen. Es gibt keine Rechtfertigung für das, was du getan hast. Und niemals könnte durch meine Wut, so gerecht sie auch sein mag, den Unschuldigen, die du vernichtet hast, Gerechtigkeit widerfahren.«

    »Das stimmt«, sagte König Emin darauf. Er zog seinen Dolch aus dem Gürtel, blickte auf den gravierten Griff und warf ihn Doranei schließlich zu. »Es reicht, dass es hier und jetzt endet.«
    Doranei musterte den Dolch. In den Knauf waren die Initialen und das Wappen des Königs eingraviert, die Arbeiterbiene, die für Frömmigkeit und Strebsamkeit stand.
    Und wenn wir unsere Schwächen auch nicht selbst erkennen, dann wollen wir doch immerhin hoffen, dass wir Freunde haben, die uns vor ihnen bewahren. Er warf die Klinge zurück. Der König wirkte überrascht, nahm es aber mit einem Nicken zur Kenntnis, statt Widerworte zu geben.
    »Es reicht, dass es

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