Sturmbringer
erhalten. Nimm das Horn! Wecke ihn - und wenn er dich getötet hat, wird er mich und meine Wärme suchen und mein Angebot ewigen Lebens, und wird sich nicht wieder an diesem kalten Ort niederlegen. Geh - laß dich von ihm töten!«
Er nahm den Schlüssel.
»Vielen Dank, Lady Vivian. Wäre es möglich, jemanden zu überzeugen, der eigentlich gar nicht existiert, würde ich dir sagen, daß mein Tod von Rolands Hand für dich schlimmer wäre, als mein Erfolg gegen ihn.«
Er steckte den großen Schlüssel ins Schloß, der sich mühelos drehen ließ. Die Torflügel schwangen auf, und er erblickte einen langen, niedrigen, gewundenen Korridor. Ohne zu zögern ging er durch den Tunnel auf ein flackerndes Licht zu, das durch die dunstigkalte Düsternis schimmerte. Doch im Gehen gewann er das Gefühl, durch einen Traum zu gleiten, der noch weniger real war als die Vision der letzten Nacht. Nun betrat er die Grabkammer. Sie wurde durch hohe Kerzen erleuchtet, die eine Plattform umstanden. Darauf lag ein Mann in einer Rüstung von fremdartigprimitivem Zuschnitt, auf der Brust ein Breitschwert, das beinahe so riesig war wie Sturmbringer, und am Griff, durch eine um den Hals hängende Silberkette befestigt, das Horn des Schicksals - Olifant!
Das Gesicht des Mannes wirkte im Kerzenschein seltsam: alt, doch mit jugendlichem Anschein, die Stirn glatt, die Züge faltenlos.
Elric packte Sturmbringer mit der Linken und streckte den Arm aus, um das Horn zu ergreifen. Er versuchte nicht vorsichtig zu sein, sondern zerrte Roland das Instrument vom Hals.
Ein lautes Brüllen ertönte aus der Kehle des Helden. Sofort hatte er sich in eine sitzende Stellung aufgerichtet, das Schwert glitt in beide Hände, die Beine schwangen von der Grabstatt. Die Augen weiteten sich, als er Elric mit dem Horn in der Hand erblickte. Er stürmte auf den Albino zu, und sein Schwert Durandana pfiff im Bogen auf Elrics Kopf zu. Dieser hob den Schild und blockte den Streich ab. Dabei ließ er das Horn unter sein Wams gleiten. Dann wich er zurück und nahm Sturmbringer wieder in die rechte Hand. Roland brüllte nun etwas in einer Sprache, die Elric fremd war. Er machte gar nicht den Versuch, ihn zu verstehen, denn der zornige Tonfall ließ klar erkennen, daß der Ritter keine friedliche Verhandlung im Sinn hatte. Er wehrte sich weiter, ohne selbst in die Offensive zu gehen, und wich Zoll um Zoll durch den langen Tunnel zurück, der zum Grabeingang führte. Mit jedem Schlag Durandanas gegen den ChaosSchild stiegen von Waffe und Schild Töne von ungeheurer Intensität auf. Unaufhaltsam drängte der Ritter den Albino immer weiter zurück, und sein Breitschwert wirbelte und prallte mit unvorstellbarer Kraft auf den Schild und zuweilen auch gegen Elrics Klinge. Im nächsten Augenblick kamen sie ans Tageslicht, und Roland schien im ersten Augenblick geblendet zu sein. Elric erblickte Vivian, die den Kampf begeistert verfolgte, sah es doch so aus, als hätte Roland die Oberhand.
Doch bei Tageslicht und ohne Chance, dem zornigen Ritter auszuweichen, schlug Elric nun mit der vollen Kraft seiner aufgestauten Energie zurück. Mit hocherhobenem Schild und schwingendem Schwert ging er zum Angriff über und überraschte damit Roland, der mit diesem Verhalten seines Gegners offensichtlich nicht mehr gerechnet hatte. Sturmbringer fauchte, als er sich in Rolands primitiv geschmiedete Eisenrüstung biß, die mit häßlichen großen Nägeln zusammengehalten wurde und auf der Brust mit einem mattroten Kreuz bemalt war, das für einen so berühmten Helden kein passendes Signum darstellte. An Durandanas Macht aber bestand kein Zweifel; die Klinge schien zwar ebenso primitiv geschmiedet wie die Rüstung, verlor aber nichts von ihrer Schärfe und drohte mit jedem Hieb durch den Chaos-Schild zu brechen. Elrics linker Arm war bereits taub von den Schlägen und sein rechter Arm schmerzte. Lord Donblas hatte nicht gelogen, als er ankündigte, daß die Durchsetzungskraft der Waffen in dieser Welt gemindert war.
Roland hielt inne und brüllte etwas, doch Elric achtete nicht darauf, ergriff die Gelegenheit, stürmte vor und drückte seinen Schild gegen Rolands Körper. Der Ritter begann zu taumeln, und sein Schwert stieß ein schrilles Pfeifen aus. Elric zielte auf eine Lücke zwischen Rolands Helm und Halsschutz. Der Kopf sprang von den Schultern und rollte in grotesker Bewegung zur Seite, doch die Schlagader pumpte kein Blut. Die Augen des Kopfes blieben geöffnet und starrten Elric
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