Sturmbringerin
alles, was ich dir auftrage?« Hias‘ Stimme wurde süßer als Zuckerwerk.
Alles in Orena wollte Gianna zurufen, nicht auf ihn zu hören, geschweige denn, ihm Glauben zu schenken. Stattdessen biss sie sich auf die Zunge und wartete ab.
»Ich werde es tun.« Giannas Stimme klang mechanisch und emotionslos.
Im Geiste warf Orena Hias die schlimmsten Verwünschungen an den Kopf.
Hias winkte einen der Soldaten zu sich. »Mach sie von den Fesseln los«, forderte er, sobald der Mann ihn erreichte.
Dieser zögerte einen Moment machte sich dann jedoch daran, Hias‘ Wunsch nachzukommen.
Kraftlos sackte Gianna in sich zusammen, als das stramm gebundene Seil sie nicht länger aufrecht hielt. Hias ergriff ihre Unterarme und bewahrte sie davor zu stürzen. Langsam setzte er sich mit Gianna auf den Boden.
»Danke«, murmelte sie, sobald sie sicher saß. »Was soll ich für Euch tun?«
»Weißt du, was ein Feind ist?«
Gianna überlegte einen Augenblick, bevor sie antwortete. »Jemand, der einem Böses will.« Es klang eher nach einer Gegenfrage als nach einer Antwort.
Hias schien der Ansatz zu gefallen, denn sein hinterhältiges Lächeln verstärkte sich noch. »Da hast du ganz Recht. Feinde sind schlecht, man sollte sie nicht in seiner Nähe haben. Trotzdem lässt sich ein solcher Kontakt nicht immer vermeiden, daher muss man sich verteidigen können.«
Vorsichtig nickte Gianna und lauschte auf Hias‘ Worte.
»Du kannst uns helfen, uns vor unseren Feinden zu beschützen.«
Ängstlich sah Gianna zu ihm herüber. »Wie soll das gehen?«
»Da ist eine starke Kraft in dir. Spürst du sie nicht?«
»Ich fühle dort etwas. Aber es ist ganz schwach, ich bin nicht so stark.« Giannas Tonfall verriet, dass sie Angst hatte, Hias zu enttäuschen.
»Ich könnte dafür sorgen, dass du wieder stark genug bist, um uns zu beschützen. Das wäre eine gute Sache, findest du nicht? Möchtest du das tun?«
»Ja.«
Hias strahlte übers ganze Gesicht, als er ihre Antwort hörte.
»Leg dich ins Bett und ruh dich aus, morgen gibt es viel für uns zu tun.«
»Ja Herr«, erwiderte Gianna, während sie mühsam aufstand.
Hias erhob sich ebenfalls und sah Gianna, die nun zum Bett schlurfte, hinterher.
Beschwingt kam er zu Orena zurück, die sich zwischendurch wieder zu Mairis gestellt hatte. »Ihr habt Recht, mit ihr in diesem Zustand werden wir etwas anfangen können. Sie bleibt ungefesselt, doch wird ihre Magie weiterhin gebunden. Lasst sie für heute in Frieden. Morgen werden wir sie einiger Prüfungen unterziehen, dann sehen wir weiter.«
Hias hatte seinen letzten Satz kaum beendet, als er sich auch schon anschickte, das Zimmer zu verlassen. »Ich werde Balian und Degan von euren Fortschritten berichten. Gute Arbeit!« Schon schlüpfte er aufgeregt zur Tür hinaus.
Von wegen gute Arbeit! Es war schlichtweg eine Katastrophe.
Orena wollte nur noch schreien und allzu bald nicht mehr damit aufhören.
Vergessen
Van zählte, war mit dem Ergebnis aber nicht zufrieden, also begann er von vorn zu zählen, doch wieder kam er auf eine andere Zahl. Unzufrieden brummte Van vor sich hin. Seit er sich vor einigen Tagen verzählt hatte, war er nicht mehr sicher, wie lange sie hier schon festgehalten wurden.
Es waren mehrere Wochen vergangen. Aber waren es vier oder fünf? Vielleicht war es auch schon die sechste. Van zerbrach sich den Kopf, doch es führte zu nichts. Es kam ihm vor, als wären es Monate, Jahre eventuell.
Eine Ewigkeit war es her, dass er Giannas Gesicht gesehen hatte. Das letzte Mal war bei ihrer Ankunft in der Stadt gewesen.
Die Erinnerung an den schrecklichen Moment des Hinterhalts, in den sie gelaufen waren, ließ Van frösteln und die Haare in seinem Nacken sträubten sich, als er an Giannas schockierten Gesichtsausdruck und ihre Hilflosigkeit zurückdachte. Niemals hatte er sich vorstellen können, dass es etwas gab, das sich seiner Geliebten in den Weg stellen, sie gar bezwingen, könnte. Erst recht hatte er dabei nicht an eine einzelne Person gedacht.
Dennoch war es so gekommen und nun saß er hier und wusste seit Wochen nichts über Giannas Verbleib. Ob sie ihr etwas angetan und sie in ihre Dienste gezwungen hatten? Vielleicht benutzten die Turonter Van sogar als Druckmittel, um Gianna gefügig zu machen. Doch dann hätten sie ihn Gianna zeigen müssen, damit sie sich vergewissern konnte, dass er noch lebte.
Van versuchte sich noch einmal am Zählen, aber er scheiterte erneut.
»Kaj?«,
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