Sturmbringerin
nur das, was dir gerade nützt.«
Zornig reckte Orena ihr Kinn hoch. »Uns fehlt die Zeit, uns die gegenseitige Lebensgeschichte zu erzählen, meinst du nicht? Sobald wir genug Meilen zwischen uns und diesen unsäglichen Ort gebracht haben, können wir gern innehalten, ein gemütliches Feuer entzünden, uns die Haare flechten und einander unsere geheimsten Gedanken erzählen. Doch jetzt müssen wir uns beeilen.«
Orena entwand sich meinem Griff und stapfte missmutig weiter, mein Misstrauen hatte sie merklich verstimmt. Van trat zu mir und strich mir langsam über den Rücken. Es half meine Anspannung zu lösen und ich lächelte ihm dankbar zu.
»Sie hat Recht. Erst müssen wir hier herauskommen, dann sehen wir weiter. Ich glaube wirklich, dass sie uns in dieser Hinsicht nichts vormacht«, flüsterte Van mir leise zu.
»Es fällt mir so schwer, Orena zu trauen«, murmelte ich, damit sie mich nicht hören konnte.
»Was ist zwischen euch vorgefallen? Was hat sie mit dir gemacht?«
Ich schüttelte sacht den Kopf, als sich mir die Kehle zuschnürte, sobald ich an die letzten Wochen dachte. »Später«, brachte ich zögerlich hervor.
Wir folgten Orena schweigend durch die verschlungenen Korridore bis wir in einen Flur einbogen, hinter dem es nicht mehr weiterging. Mehrere kleine Türen zweigten von hier ab und Orena steuerte eine der hinteren an. Rasch klopfte sie dreimal hintereinander und öffnete die Tür gleich im Anschluss.
»Was machst du um diese Zeit hier? Ist etwas passiert?«, hörte ich Mairis eindringlich aus dem Inneren des Zimmers fragen.
»Es ist so weit, wir verschwinden von hier«, sagte Orena.
»Und wie willst du das allein anstellen?«, fragte Mairis verzweifelt.
Während die beiden miteinander sprachen, ging ich ebenfalls zur Tür. Ich wollte Orena und auch Mairis keinesfalls aus den Augen verlieren.
»Ihr seid nicht allein«, sagte ich, sobald ich im Türrahmen stand.
Über Orena hinweg sah ich in das Zimmer. Es war spärlich möbliert. Der Größe nach zu urteilen wohnte nur eine Person darin.
Mairis sah mich erstaunt an und brachte kein Wort heraus.
Orena ergriff ihre Hände. »Sie hat uns getäuscht. Gianna hat ihren Verstand nicht verloren. Wir fliehen gemeinsam, so wie wir es geplant haben.«
Ein zaghaftes Lächeln breitete sich auf Mairis‘ Lippen. Ich horchte schnell in mich hinein. Meine Magie war noch da und auch lag mein Fokus nach wie vor auf Orena. Noch hatte Mairis nicht versucht, meine Gabe zu bannen.
»Wir sollten uns beeilen«, drängte Jase hinter mir.
Allmählich erwachte Mairis aus ihrer Erstarrung. »Ich hole meine Sachen.«
Kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, ließ sie Orenas Hände los, wirbelte herum und eilte zu ihrem Schrank.
Orena schob sich an mir vorbei und ging zu der Tür gegenüber. Beide flitzten durch die Zimmer und sie brauchten nur wenige Minuten bis sie alles beisammen hatten.
Ich musste an Vans und meine Flucht von Lasca zurückdenken. Auch wir hatten damals auf gepackten Taschen gesessen und auf eine Gelegenheit gewartet. Offensichtlich ging es Mairis und Orena ebenso.
Vernichtet
Van stand mit den anderen wartend auf dem Flur. Die beiden Frauen rauschten regelrecht durch ihre Zimmer und schon kurze Zeit später standen sie wieder bei ihnen.
»Wir sollten hier schleunigst verschwinden. Was wenn Cato oder Kemandra zurückkommen?«, fragte die Frau, die sie abgeholt hatten. Mairis. Van brauchte einen Moment, um sich wieder an ihren Namen zu erinnern. Gianna und Orena hatten ihn nicht oft erwähnt.
Unsicher sah Gianna sich um. Ihr war immer noch nicht wohl bei der Sache. Was war in den letzten Wochen nur mit ihr geschehen?
»Um Cato müssen wir uns wirklich Sorgen machen«, sagte Orena. »Was jedoch Kemandra, Armeria, Diablit und auch Hias betrifft…« Sie zögerte und sprach nicht weiter.
»Was ist mit ihnen?« Mairis sah von Einem zum Anderen.
»Ich habe sie getötet«, sagte Gianna.
»Sie alle?«, hauchte Mairis ungläubig.
Orena nickte wild. »Jetzt müssen wir bloß noch von hier verschwinden und wir werden endlich frei sein.«
»Ihr habt schon seit längerem eure Flucht geplant?«, fragte Van.
»Ja«, bestätigte Mairis.
»Dann habt ihr euch sicher überlegt, wie ihr es anstellen wollt?« Jase trat näher heran, damit ihm nichts entging. »Wie sieht euer Plan aus?«
»Wir werden so tun, als wollten wir euch verlegen. Stattdessen steigen wir in die Abwasserkanäle herab und entkommen auf diese
Weitere Kostenlose Bücher