Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
seine Tasche stecken und über Bord springen.
Am Tag nach dem Ablegen in Liverpool hatte Austin allein in seiner Kajüte die Siegel der Papiere aufgebrochen und den Inhalt gelesen. Die Dokumente bestanden aus einem ungünstigen Brief, der von einem hohen Mitglied der englischen Admiralität an einen englischen Loyalisten, den Cousin eines Lords, in Amerika gerichtet war. In dem Brief wurde die Anstiftung zu einem Volksaufstand in der neuen Nation vorgeschlagen, um die schwache Regierung zu Fall zu bringen und die britische Herrschaft wiederherzustellen. In den Brief gefaltet war eine Liste mit Namen bekannter Persönlichkeiten in Boston, New Haven und Philadelphia, deren Vermögen und Einfluss beim Komplott von Nutzen sein konnten.
Der Brief war von einem Gentleman gestohlen worden, der solche Vorgänge für Amerika beobachtete. Austin war angewiesen worden, ihn in Liverpool zu treffen und die Dokumente nach Boston zurückzubringen.
Nun öffnete er seine Kabinentür. Er blieb in der Tür stehen und ließ den Blick schweifen. Alles war recht aufgeräumt; die Karten waren auf dem Schreibtisch ausgebreitet, das Bett war gemacht. Nichts wirkte verdächtig.
Und doch ahnte er instinktiv, dass jemand seine Kabine durchsucht hatte. Er ahnte es so sicher, wie er die Stellung eines jeden Segels über sich kannte. Dinge waren beiseite- und wieder zurückgestellt worden, aber eben nicht ganz in der richtigen Ordnung. Jemand hatte nach den Dokumenten gesucht, und derjenige hatte sie nicht gefunden, denn Austin kannte das Versteck und brauchte bloß kurz hineinzusehen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht angerührt worden waren.
Er musste den Eindringling gestört haben. Nachdenklich lehnte er sich in den Türrahmen. Jemand wusste von den Papieren und hatte nach ihnen gesucht – und das zufällig kurz bevor die englische Fregatte am Horizont erschien.
Evangeline hörte, wie der Riegel vor ihrer Tür zurückgeschoben wurde und diese sich im Dunkeln einen Spalt öffnete. Sofort richtete sie sich im Bett auf, tastete nach ihrer Brille und setzte sie sich auf die Nase.
Lieutenant Jameson stand auf der Schwelle und trug eine nur schwach scheinende Laterne. Hinter ihm glänzten die kalten Augen von Miss Anna Adams, deren Pistole das Licht der einzelnen Kerze spiegelte.
Kapitel 6
A nna trat in die Kabine. »Wir verschwinden, Miss Clemens! Der Lieutenant war so freundlich, seine Hilfe anzubieten. Er denkt nämlich, dass es unrecht ist, Frauen an den Galgen zu bringen.«
Jameson flüsterte finster: »Und er wird Sie hängen, Miss! Er ist ein Mann, der es gar nicht gut aufnimmt, wenn man ihn verärgert.«
Evangeline blickte von einem zum anderen. »Das ist lächerlich! Wenn wir zu fliehen versuchen, wird er uns gewiss den Behörden übergeben.«
»Sie sind eine Närrin, falls Sie glauben, er hätte auch nur einen Funken Nachsicht in sich. Er hat sich Ihnen aufgezwungen und Ihre Sinne vernebelt.«
Jamesons Augen blitzten zornig. »Und ich werde ihn dafür bezahlen lassen, Miss – für alles, was er Ihnen angetan hat!«
Hinter ihm grinste Anna zufrieden, so dass Evangeline begriff, was geschehen war. Sie musste Jameson eine Lügengeschichte aufgetischt haben, wahrscheinlich ausgeschmückt durch reichliches Schluchzen, Seufzen und auffälliges Heben und Senken ihres üppigen Busens.
»Kommen Sie mit, Miss Clemens! Unsere Rettung naht in Form eines britischen Schiffes, und wir werden uns von ihm aufnehmen lassen.«
»Wie? Und warum sollte ich mit Ihnen gehen?«
»Was das Wie betrifft – der Lieutenant wird uns hinüberrudern. Und was das Warum angeht – nun, Sie wollen doch nicht hängen, oder?«
»Lassen Sie mich hier! Ich gehe das Risiko ein.«
»Unsinn, meine Teure! Ich brauche Sie.«
Für irgendeinen anderen Komplott oder als nützliche Geisel. Evangeline erinnerte sich an Annas kalte Stimme, als sie ihr versprochen hatte, dass es unangenehm würde, sollte sie vor ihr freikommen.
Anna bewegte die Pistole, die sie allerdings nicht auf Evangeline, sondern auf Jameson richtete. Jetzt begriff Evangeline. Sollte sie nicht tun, was Anna befahl, würde diese den Lieutenant töten, dessen einziger dummer Fehler darin bestand, dass er Anna glaubte.
»Ah, na schön. Gehen Sie raus, damit ich mich ankleiden kann!«
»Keine Zeit. Wir müssen jetzt gehen.«
»Ich kann wohl schlecht in Hemd und Unterrock übers Meer rudern.«
»Das werden Sie müssen. Lieutenant, holen Sie sie!«
Jameson machte einen Schritt auf sie
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