Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
gestanden und fasziniert die sich brechenden Wellen betrachtet hatte. Ihr verzücktes Lachen hatte ihm gesagt, dass sie all die Magie, die Freude, das Wundervolle sah, das er verloren hatte. Und ebendiese Freude strahlte von ihr auf ihn ab, badete ihn in einer Magie, die er seit vielen Jahren nicht mehr wahrgenommen hatte.
Er wollte das Wunder einfangen, deshalb hatte er Evangeline umarmt und sie geküsst, hatte ihre Erregung gekostet und in sich eingesogen.
Im Morgengrauen wurden die Umrisse der Fregatte deutlicher, die inzwischen recht nahe war. Die aufgehende Sonne verlieh dem eleganten Schiff einen goldenen Glanz. Ja, die Schönheit war unverkennbar. Austin hatte während des Krieges gegen seine englischen Widersacher auf einer solchen Fregatte gedient. Fregatten waren geschmeidige Schiffe mit wenigen flachen Decks, die sie zu hervorragenden Kampfmaschinen machten: elegant, schlicht, tödlich.
Aber er würde nicht kehrtmachen und fliehen! Die Handels- und Forschungsreisen seit dem Krieg dienten unter anderem auch dem Zweck, allen anderen zu beweisen, dass amerikanische Schiffe ein Recht besaßen, die Seewege zu nutzen und freien Handel zu treiben. Außerdem gab es keinen Grund für eine Fregatte, ein Schiff voller französischem Brandy und Landwirtschaftsgerät auf dem Weg nach Boston aufzuhalten.
Die Sonne funkelte tanzend auf den Wellen, so dass Austin kaum etwas im Wasser erkennen konnte. Allerdings sah er das winzige dunkle Boot, das auf die Fregatte zuruderte, denn es wirkte im hellen Morgenlicht schwarz.
Jeder einzelne Muskel seines Körpers spannte sich an. Er sah die Silhouetten der Ruder, die sich aus dem Wasser hoben und wieder eintauchten, während das Boot sekündlich kleiner wurde.
Der Anblick versetzte Austin in Rage. Mit großen Schritten eilte er zur Tür, stieß sie auf und stürmte hinauf an Deck. Rasch lief er durch den kalten beißenden Wind, bevor er die Treppe zu den Offiziers- und Passagierkammern hinuntersprang.
Alles war still, weil außer Jameson sämtliche Offiziere Wache hatten. Doch die Stille heute Morgen war eine andere als sonst, und Austin sah es sofort. Miss Clemens’ Kabinentür stand offen. Die Decken auf ihrer Koje waren hastig beiseitegeworfen worden, aber ihr schlichtes graues Kleid hing noch an dem Wandhaken.
Miss Adams’ Kabine war ebenfalls leer, genau wie die seines frisch beförderten ersten Lieutenants, Jameson.
Das kleine Boot rammte die Fregatte und schwankte beängstigend zurück. Evangeline fror im eiskalten Wind.
Anna winkte freundlich zu den Gesichtern hinauf, die von der Reling zu ihnen hinunterblickten. Offenbar hegte sie nicht den geringsten Zweifel, dass man sie willkommen heißen würde. Auf der Überfahrt hatte Evangeline mit dem Gedanken gespielt, sie und Mr. Jameson über Bord zu stoßen und sich allein zur Aurora zurückzukämpfen. Aber sie wusste natürlich, dass sie es unmöglich mit den beiden aufnehmen könnte, ganz abgesehen davon, dass sie nur eine vage Vorstellung hatte, wie sie ein Boot so durch die Wellen ruderte, dass es auch dort ankam, wo sie hinwollte. Sie hätte vermutlich auch selbst über Bord springen können, aber das eisige Wasser wäre wohl ihr Tod gewesen.
Hauptsache überleben! , ging es ihr durch den Kopf. Sie würde überleben und einen Weg finden, Anna zu entkommen, um sicher zu ihrer Cousine nach Boston zu reisen. Evangeline würde dem Captain dieses Schiffes begreiflich machen, was für ein Mensch Anna wirklich war, und dann wäre sie frei, ihrer Wege zu gehen.
Ein Netz glitt seitlich von der Fregatte, in dem mehrere Matrosen hingen, die wie die Spinnen auf sie zukrabbelten.
Jameson ließ die Ruder fallen und ergriff Miss Adams’ Hände. »Geben Sie auf sich acht, meine Liebe!«
Evangeline hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. »Kommen Sie nicht mit uns?«
»Ich bin der Aurora verpflichtet.«
»Captain Blackwell wird Sie den Haien vorwerfen.«
Diese Bemerkung quittierte er lediglich mit einem Kopfnicken, bevor er wieder bewundernd zu Miss Adams sah. »Aber ich habe Sie von ihm weggebracht. Das allein ist wichtig.«
Miss Adams beugte sich vor und gab Jameson einen höchst anzüglichen Kuss. »Sie sind ein guter Mensch.«
»Wir sehen uns in Paris, meine Liebe.«
»Wahrscheinlich erschießt sie Sie in Paris«, murmelte Evangeline, worauf Anna ihr einen vernichtenden Blick zuwarf. Jameson aber hatte vor lauter Schmachten ohnehin nichts mitbekommen.
Die Matrosen hatten nun das Ruderboot erreicht, und
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