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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Dunkelheit, kaum bei Sinnen und wie gebannt, bis Louan von seinem Opfer abließ, sich geschmeidig aufrichtete und uns, noch halb über Ruth kauernd, einen Schulterblick zuwarf.
    Ein kaltes, unberechenbares Feuer leuchtete in seinen Augen.
    Nichts war mehr übrig vom Menschen. Ich sah nicht mehr Louan, nur noch ein Raubtier, das über Leichen ging, um seine Freiheit wiederzuerlangen.
    Als er sich ganz erhob, über Ruth hinwegstieg und auf mich zukam, überfiel mich blanke Furcht. Er war schnell, viel zu schnell, als dass ich mich gegen ihn hätte wehren können. Er riss mir beide Felle aus den Armen, warf mir einen wilden, undurchdringlichen Blick zu und rannte davon.
    „Louan!“ Ich folgte ihm, obwohl meine Vernunft längst wusste, dass es sinnlos war. Mit dem Fell nahm er mir jede Möglichkeit, ihm zu folgen. Wenn er jetzt ging, würde ich ihn niemals wiedersehen.
    „Ich liebe dich“, schrie ich ihm hinterher. „Erkennst du das nicht?“
    Sein Körper war ein silbriges Schimmern im Licht einer rasch aufgehenden Sonne. Er huschte die Treppe hinunter, überquerte den Strand und verharrte am Saum der Brandung. Wie eine Statue stand mein Selkie da.
    Ich folgte ihm vorsichtig. Ich wusste, dass er meine Nähe spürte. Was also bedeutete es, dass er nicht in den Wellen verschwand? Erinnerte er sich endlich?
    Behutsam legte ich eine Hand auf seine Schulter, die einzige Stelle, an der noch kein Fell spross. Seine kühle, glatte Haut zu spüren, zerriss mir das Herz. Er zitterte. Sein Atem ging schwer und schnell.
    „Lass mich nicht allein“, flüsterte ich. „Ich kann nicht ohne dich leben.“
    „Doch, das kannst du.“
    Er wandte sich um. Seine Augen schwammen in Tränen.
    Er erinnerte sich wieder, doch ich spürte, dass diese Erinnerung trügerisch war wie vergänglicher Meeresschaum, der beim ersten Sonnenstrahl schmolz.
    „Mari, es ist zu spät.“
    „Warum?“ Ich fühlte mich kalt. Wie innerlich erfroren. „Was meinst du? Nichts ist zu spät. Ich bin jetzt wie du.“
    „Nein.“ Er strich mir über das Haar.
    Kein Messer hätte mir mehr Schmerzen zufügen können als diese Berührung.
    „Ich gehe, weil ich alles vergessen werde. Weil das Tier endgültig gesiegt hat. Ich kann nicht mehr zum Menschen werden. Jede Erinnerung an das Land wird ausgelöscht werden, und damit auch jede Erinnerung an dich.“
    „Nein!“ Ich schrie es fast. „Du bist stärker. Du kannst es besiegen.“
    „Das kann ich nicht. Erinnere dich an dein Versprechen, Mari. Du bist stark. Stärker als du glaubst. Wir wussten immer, dass unsere gemeinsame Zeit nur kurz ist.“
    „Ich will dich nicht verlieren.“
    „Das will ich auch nicht. Aber es muss sein. Du wirst wieder glücklich werden. Ich weiß es.“
    Meine Sinne schwanden. Ich wollte stark sein, aber es zerriss mir das Herz und die Seele. „Was ist mit dir? Wirst du glücklich werden?“
    Er lächelte. „Ich werde frei sein. So frei, wie nur ein Tier es sein kann.“
    „Aber ich dachte, ein Selkie stirbt ohne sein Fell.“
    „Das dachte ich auch.“
    „Und was ist mit mir? Ich bin jetzt wie du.“
    „Nein.“ Er wich vor mir zurück. Schritt für Schritt. „Du kannst wieder zurückkehren. In dir ist noch immer viel mehr Mensch als Tier.“
    Ich sah, wie die Erinnerung aus seinen Augen verschwand. Sie verblasste und wich einer ungezähmten Wildheit, die alles Menschliche abschüttelte. Ich wollte nach ihm greifen, ihn festhalten, ihn küssen oder schlagen, doch eine Lähmung befiel meinen Körper. Bestehend aus Erkenntnis und Hilflosigkeit. „Louan, bitte.“
    „Leb wohl, Mari. Ich liebe dich. Denke immer daran.“
    Er lächelte mir zu, ehe die Welle kam. Und dann, als sie schäumend seine Beine umspülte, warf er sich mitsamt den Fellen nach vorne und tauchte ab. Sein Körper verwandelte sich, kaum dass er das Wasser berührte, wurde zu einem silbernen Schemen und schoss in das Blau hinaus. Nach zwei Atemzügen war er fort.
    Verschluckt vom Ozean.
    Für immer vor meinen Augen verborgen.
    Reglos stand ich da. Gelähmt von der Gewissheit, dass es kein gemeinsames Leben für uns gab. Ich war wieder ein Mensch, und er für immer ein Tier. Es gab nichts mehr, das uns verband.
    Die grausame Weite der See würde uns für alle Zeiten trennen.

    „Sind Selkies um vieles anders als Menschen?“
    Ich starrte auf den flimmernden Bildschirm und den Wust aus Diagrammen. Jetzt, da Aaron die Deckenlampe eingeschaltet hatte, wirkte das Zimmer wie ein gewöhnliches, altbackenes,

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