Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht
Hang mit Apfelbäumen, darunter flüsterte ein Pappelwäldchen silbern im Sonnenlicht. Mercurin pflückte ein paar Äpfel mit dunkelroter Haut und weißem Fleisch. Hel spürte keinen Hunger mehr, nicht einmal Durst. Aber es war trotzdem ein Genuss, die süßen Äpfel zu essen, im Halbschatten zu liegen und durch die Bücher zu blättern.
Mercurin war wieder in Schweigsamkeit versunken; seit sie draußen waren, wollte er nicht mehr über die Bücher aus Hels Welt sprechen und ließ nur versonnen seinen Blick über die Zeilen streichen. Hel erzählte dafür. Von den Geschichten, die sie mit Jureba gelesen hatte. Von Abenden mit der alten Isin, die auf der Schwalbe die Trolle beaufsichtigt hatte, und von Erlebnissen mit den anderen Sturmjägern. Mercurin bat sie, ein Lied vorzusingen, das sie von den Festen der Liga kannte. Aber Hel hatte einen Kloß im Hals. Wenn Mercurin ihr Schiff nicht zum Absturz gebracht hatte, war es wirklich sie gewesen? Es war passiert, als Gharra sie gerade zu seiner Nachfolgerin erklärt hatte. Sie hatte so viel Angst gehabt in diesem Moment – Panik davor, dass das Leben sich veränderte und sie keine Kontrolle darüber hatte; dass man Erwartungen an sie stellte, die sie unmöglich erfüllen konnte … war sie wirklich am Tod ihrer Freunde schuld? Die ganze Zeit hatte sie ihre Suche nach den Dämonen damit gerechtfertigt, den Mörder ihrer Mannschaft zu finden. Wenn sie es selbst gewesen war … aber sie hatte es ja nicht absichtlich getan! Sie hatte keine Ahnung gehabt von ihren Fähigkeiten. Sie wünschte, sie hätte die Wahrheit nie erfahren. Und trotz allem, trug nicht auch Mercurin einen Teil der Schuld? Hätte er ihr Totenlicht nicht erwachen lassen, wäre es nie dazu gekommen. Oder jedenfalls nicht in diesem Augenblick.
Mercurin ahnte wohl, woran sie dachte, und klappte das Buch mit den Liedern zu. Er zog sie an sich. Sie lagen einfach da, im Moos, im Flackern von Schatten und Sonnenschein, im Duft der Apfelbäume und Gräser. Was geschehen war und was noch kommen mochte, drohte wie ein schwarzer Nebel, doch den Augenblick konnte es nicht durchdringen. Der Nebel umgab sie wie eine gläserne Glocke.
Schwert und Traum
K arat hatte den Himmel erreicht. Er hatte mit den Sümpfen geträumt, Geschichten geflüstert mit dem riesenhaften Schilf, seinen Brüdern, doch jetzt hatte er die Silbernen Steppen hinter sich gelassen. Vor ihm, endlos in siedender Lebendigkeit, lag das Alte Reich. Das wahre Reich. Die Welt, wie sie wirklich war, unbegreiflich, erschütternd schön, kein Boden zum Ausrauben, sondern ein Raubtier selbst, ein einziges malmendes Maul. Karat war hier nur geduldet, wenn er sich ganz ergab, nur noch Körper und Träger der schieren Kraft war und sich selbst dafür opferte.
Funken, erlösche. Kehre heim ins Feuer.
Er rannte schwebend mit hochgerissenen Armen durch die wilde Natur, nicht weil er irr war, sondern weil er das Land sein wollte. Das Land war .
Die schweren Gewitterwolken brachen mit Paukenschlägen. Regen peitschte nieder, Blitze durchrissen den Horizont. Über allem schwebte das lockende Geflüster derer, die immer und überall waren.
Du musst sie finden, die anderen Lichter! Finde die dunklen Herzen … vier gibt es, einer wird alle einen …
»Wo?«, schrie Karat. »Wie lange noch? Wo sind sie denn? Wo seid ihr?«
Weiter, immer weiter … nimm das dunkle Herz des Dämonenjungen, er ist es nicht wert, er ist schwächer als du, nimm es … du bist der eine, der alle eint …
Karat legte den Kopf in den Nacken, ließ den Regen über seine schmutzige Haut laufen, unter seine vor Dreck starrenden Kleider. Der Eine …
In seiner Brust donnerte das dunkle Herz. Er tastete danach, wollte sich daran halten, es war viel mächtiger als er, fast zu mächtig für ihn, und davon sollte er vier tragen können?
Sie werden dich tragen!
Er strich sich über die Brust – und fühlte plötzlich etwas. Er blieb stehen, öffnete die Augen. Im metallischen Dämmerlicht des Sturms zog er etwas aus der Innentasche seines Wamses. Das Wasser tropfte daran ab. Sein Atem stockte.
Eine Muschel. Spiralförmig und am Ende verbogen. Erinnerungen aus der Tiefe eines abgefallenen Daseins rieselten hoch wie Ascheflocken. Ein Augenblick in gleißendem Sonnenlicht. Sie. Die starke Mutter Meer im Licht, das Haar wild entzündete Flammen um ihr gütiges, wie aus dunklem Holz geschnitztes Gesicht. »Kämpfe mit uns, Bruder. Mutter Meer war immer für dich da, sie hat dich nie
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