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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Lichter anzündete, meinte sie, den ruhelosen Geist eines dieser lange Verstorbenen auf sich zukommen zu sehen. Die Arme vor sich ausgestreckt, das lange Haar wirr um den Kopf, tappte die Gestalt wie blind umher. Samantha nahm die Frau beim Arm und sagte leise und freundlich: »Kommen Sie, Mrs. Franchimoni. Sie dürfen nicht aufstehen.«
    {244} Die Augen der Frau waren wie Brunnen der Trostlosigkeit. »Mein Kind. Haben Sie mein Kind gesehen?«
    Samantha führte sie zu ihrem Bett und deckte sie zu. »Sie dürfen nicht herumlaufen, Mrs. Franchimoni. Sie müssen erst wieder richtig gesund werden.«
    »Und mein Baby?«
    »Sie brauchen jetzt erst einmal Schlaf. Schlafen Sie …« Samantha blieb an ihrem Bett, bis die Frau die Augen schloß und sich endlich dem Schlaf überließ. Samantha glättete ihre Decke, dann richtete sie sich auf und sah sich im Saal um. Die Nacht war, typisch für diese Sommerabende, wie ein schwarzer Vorhang herabgefallen, während sie sich um die Patientin gekümmert hatte. Das Licht der Gaslampen bildete kleine Oasen der Helligkeit in dem dunklen Raum. Die Frauen schliefen, hatten eine Weile Ruhe und Frieden, wie Mrs. Franchimoni, die noch nicht wußte, daß ihr Neugeborenes gestorben war. Wann würde Landon es ihr sagen?
    Seufzend wandte sich Samantha ab und ging zum hinteren Ende des Raumes, wo an einem Tisch eine Schwester saß und Verbände aufrollte. Eine der Neuerungen, die Landon Fremont in seiner Abteilung eingeführt hatte, war die Einstellung von Krankenschwestern, die nach der neuen Nightingale-Methode ausgebildet waren. Anders als die übrigen Pflegerinnen im St. Brigid’s waren die Schwestern auf der gynäkologischen Abteilung geschult, sauber und pflichtbewußt.
    Mildred hob das junge Gesicht, als Samantha kam und sagte lächelnd: »Vielleicht haben wir heute zur Abwechslung einmal eine ruhige Nacht, Doktor.«
    Samantha ließ sich schwer und müde wie eine alte Frau auf den anderen Stuhl sinken und lachte leise. Eine ruhige Nacht, eitle Hoffnung. Ruhige Nächte gab es in der gynäkologischen Abteilung nur äußerst selten.
    »Mildred, würden Sie uns eine Tasse Tee holen?«
    »Natürlich.« Die Schwester sprang auf.
    Samantha zog sich eine Fußbank unter dem Tisch hervor und legte ihre Füße darauf. Sie war sogar zu müde, um zu schlafen. Aber sie fühlte sich wohl dabei. Die vergangenen sechs Monate waren alle Strapazen wert gewesen. Die Zusammenarbeit mit Landon Fremont war so wohltuend, daß Samantha schon jetzt mit Bedauern an den Tag in vier Monaten dachte, wo ihre Assistenzzeit beendet sein würde.
    Der einzige Schatten, der die Freude der vergangenen Monate trübte, war Marks Abwesenheit. Kurz nach Weihnachten hatte sein Vater einen schweren Herzanfall erlitten und war in seinem palastartigen Haus auf Beacon Hill in Boston gestorben. Samantha hatte Mark in jener Zeit nur {245} einmal kurz gesehen, als er zu einer Besprechung mit Dr. Miles, der seine Patienten übernehmen sollte, ins Krankenhaus gekommen war. Sie hatte kaum Zeit gehabt, ihm zu kondolieren, da war er schon wieder fort gewesen. In den folgenden Monaten hatte sie beinahe ständig nach ihm Ausschau gehalten, versucht, etwas über seinen Verbleib zu erfahren, und hatte schließlich gehört, daß er sich noch immer in Boston aufhielt, um gemeinsam mit seinen Brüdern den Nachlaß seines Vaters zu ordnen. Wochen und Monate vergingen, und allmählich gab Samantha niedergeschlagen alle Hoffnung auf, ihn je wiederzusehen.
    Mit Beklommenheit vermerkte sie, daß auch Janelle MacPherson sich nicht mehr im Krankenhaus sehen ließ.
    Von einem der Betten kam ein schmerzliches Stöhnen, und sofort war Samantha auf den Beinen, eilte ans Bett der Patientin, strich ihr über die fieberheiße Stirn, während sie beruhigende Worte murmelte.
    Die junge Frau, gerade erst achtzehn Jahre alt, war am Nachmittag von ihrem angsterfüllten Ehemann gebracht worden. Sie hatte starke Schmerzen im Unterleib und hohes Fieber. Landon Fremont hatte zunächst eine Blinddarmentzündung diagnostiziert. Als aber dann starke Blutungen eingesetzt hatten, war ihnen klar geworden, daß es sich um eine Eileiterschwangerschaft handelte. Landon und Samantha hatten getan, was in ihrer geringen Macht stand, obwohl sie wenig Hoffnung gehabt hatten, der Frau helfen zu können. Sie hatten Uterus und Eileiter mit Salzlösungen durchgespült, in der Hoffnung, den Fötus ablösen zu können, ehe der Eileiter brach. Doch die Behandlung war ohne Erfolg geblieben;

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