Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
beschlossen, ein Kind zu adoptieren, aber leider hat die Sache einen Haken. Die Dame wünscht sich ein Kind, das ihr möglichst ähnlich sieht, und die einzigen kleinen Waisen, die bei uns in letzter Zeit zur Adoption frei waren, waren Mexikaner und Orientalen. Und jetzt sitzen Sie hier vor mir, Miss Montgomery, so blond und hellhäutig wie die Dame selber. Das ist wirklich ein Geschenk des Himmels.«
    Das Mädchen runzelte die Stirn. »Aber ich will nicht bis nach der Geburt warten. Ich kann nicht. Ich muß es jetzt wegmachen lassen.«
    »Ich weiß, daß Sie mit diesem Wunsch hierher gekommen sind, Miss Montgomery, aber ich dachte daran, wie glücklich es dieses Paar machen {324} würde, wenn sie Ihr Kind zu sich nehmen könnten. Es sind anständige Leute, das versichere ich Ihnen, und sie haben ein schönes Haus. Ihr Kind würde in einer schönen Umgebung aufwachsen –«
    »Aber ich kann das Kind nicht bekommen!« rief das Mädchen flehentlich. »Wenn ich mit dem dicken Bauch in der Wäscherei ankomme, schmeißen sie mich raus.«
    »Ja«, sagte Samantha. »Natürlich. Aber warten Sie, ich habe eine Idee. Zufällig suchen wir in der Krankenhauswäscherei gerade dringend eine Kraft. Erst heute morgen bat mich Mrs. Polanski, jemanden einzustellen. Was halten Sie davon, Miss Montgomery, wenn Sie Ihre Stelle bei der Union Wäscherei aufgeben und zu uns kommen? Sie können bis zu Ihrer Entbindung bleiben, ich würde dafür sorgen, daß Sie leichte Arbeit bekommen, und hinterher könnten Sie weiter für uns arbeiten, wenn Sie das wollen. Nun, was meinen Sie?«
    Das Mädchen wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ich weiß nicht …«
    »Wir zahlen Ihnen den gleichen Lohn wie die Union Wäscherei.« Samantha überlegte hastig. Irgendwo würde sie Einsparungen machen müssen, um den Lohn bezahlen zu können. Und sie würde Mrs. Polanski erklären müssen, warum sie plötzlich eine neue Kraft bekam, obwohl sie keine angefordert hatte.
    »Meinen Sie das wirklich ernst?«
    »Aber ja. Und Sie können sofort anfangen.«
    Das junge Gesicht hellte sich auf. Die Schultern strafften sich, als wäre eine Last von ihnen abgefallen. »Ehrlich? Ach, vielen Dank, Doktor. Ich würde sowieso viel lieber hier arbeiten.«
    Samantha stand auf und ging zur Tür. »Melden Sie sich gleich nach den Feiertagen bei Mrs. Polanski. Sie weist Sie dann ein.«
    »Vielen Dank, Doktor!«
    »Ach, und Miss Montgomery – Sie sind nicht verpflichtet, Ihr Kind nach der Geburt freizugeben. Wenn Sie dann doch den Wunsch haben sollten, es bei sich zu behalten –«
    »Das glaube ich nicht, Doktor. Es wäre mir lieber, diese netten Leute nähmen es. Nochmals vielen Dank.«
    Auf dem Weg durch den Korridor zu ihrem Büro zog Samantha einen Notizblock heraus und schrieb: ›Adoptiveltern für Miss Montgomerys Kind ausfindig machen.‹
    »Doktor! Doktor Hargrave!«
    Samantha blieb stehen. Die Aufnahmeschwester kam ihr entgegengerannt, mit der einen Hand ihre Röcke raffend, mit der anderen wild win {325} kend. »Doktor! Eine Entbindung. Draußen. Wir können sie nicht aus dem Wagen bekommen.«
    Samantha lief schon an ihr vorbei.
    Am Bordstein vor dem Krankenhaus stand eine Droschke. Der Kutscher, der die Tür aufhielt, brüllte ihr einen italienischen Wortschwall entgegen. »Raus mit ihr«, schrie er, als Samantha sich an ihm vorbeidrängte. »Sie muß raus, Doc. Macht mir die ganze Polsterung dreckig.«
    Ohne auf ihn zu achten, kletterte sie in den Wagen und kniete neben der Frau nieder, die beide Hände auf den geschwollenen Leib gedrückt, im Sitz lag.
    »Ich bin Dr. Hargrave«, sagte sie. »Kommen Sie. Ich helfe Ihnen ins Krankenhaus.«
    Das Gesicht der Frau war schmerzverzerrt. »Ich kann nicht«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen keuchend hervor. »Es kommt! O Gott, es kommt!«
    »Wir tragen Sie.«
    »Nein! Nein!« schrie die Frau, sich von einer Seite zur anderen wälzend.
    Samantha drehte sich um und sagte über ihre Schulter: »Schwester, holen Sie mir mein Stethoskop, eine Decke, Tücher und die Geburtsinstrumente. Und eine Lampe.«
    »He!« schrie der Kutscher. »Die kann doch das Kind nicht in meiner Droschke kriegen.«
    »Würden Sie bitte die Tür schließen und etwas Rücksicht auf die Frau nehmen.«
    Nachdem Samantha in aller Eile Puls und Reflexe der Frau geprüft hatte, schob sie den schweren Samtrock hoch. »Ich sehe jetzt nach, wie weit es ist«, sagte sie. »Es tut nicht weh.«
    Die Frau, das wußte Samantha, hatte so

Weitere Kostenlose Bücher