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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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auch Dinge an, die sie vor anderen verheimlichten, und als Hilary Samantha eines Tages unverblümt nach ihrer Beziehung zu den beiden Männern gefragt hatte, hatte Samantha aufrichtig geantwortet: »Sie sind nett, aber es knistert nicht.«
    Obwohl es nicht knisterte, freute sie sich auf den Abend mit Warren Dunwich. Er war ein charmanter Begleiter, höflich und ritterlich, stets darauf bedacht, sie zu verwöhnen. Und das tat gut nach der täglichen Hektik und Anstrengung im Krankenhaus.
    Es war immer anregend, mit Warren Dunwich auszugehen. Er pflegte sie nach dem Krankenhaus zu fragen und sich ihre Berichte und kleinen Anekdoten mit echtem Interesse anzuhören. Oder er erzählte ihr von seiner letzten Geschäftsreise und den komischen Leuten, denen er begegnet war. Seine Komplimente taten ihr gut, und seine Aufmerksamkeiten schmeichelten ihr. Aber nach einer Weile wurde sich Samantha der vorgerückten Stunde bewußt, dachte an Jenny, die mit der Haushälterin zu Hause war, an das frühe Aufstehen, die Arbeit, die sie am folgenden Tag im Krankenhaus erwartete, und dann bat sie Warren, sie nach Hause zu bringen. So war es jedesmal. Sie unterhielt sich gut in Warrens Gesellschaft, aber der Funke, der nötig gewesen wäre, um eine neue Entwicklung in dieser Freundschaft einzuleiten, entzündete sich nie.
    Ähnlich war es mit Stanton Weatherby. Er verstand es, sie mit seinem Witz und seinem Humor zum Lachen zu bringen, er führte sie an die skurrilsten Plätze San Franciscos, er verwöhnte sie wie Warren. Aber auch hier blieb der zündende Funke aus.
    Samantha hatte beide Männer gern, aber wenn sie ihnen fern war, dachte sie kaum an sie, und wenn sie mit ihnen zusammen war, konnte sie nicht umhin, sie mit Mark zu vergleichen.
    Mark würde immer ihre einzige Liebe bleiben. Hundert kleine Dinge erinnerten sie jeden Tag an ihn. Eine Patientin konnte hereinkommen, und Samantha dachte unwillkürlich, Mark würde dies oder jenes verschreiben. Wenn sie im Operationssaal zum Tenakel griff, fiel ihr ein, wie er sie gelehrt hatte, das Instrument richtig zu halten. Und jeden Abend, wenn sie sich in ihrem Bett ausstreckte, kreisten ihre Gedanken um ihn. Sie sah sein geliebtes Gesicht vor sich, die warmen Augen, seinen schön {321} geschwungenen Mund mit der kleinen weißen Narbe am Winkel, und sie spürte die zärtliche Berührung seines Körpers, die Leidenschaft seiner Küsse und seiner Umarmung. Manchmal taten die Phantasien ihr gut und sie dachte voller Dankbarkeit an das, was gewesen war; aber manchmal machten sie sie auch traurig, und sie weinte um das, was nie hatte sein können.
    »Dr. Hargrave?«
    Sie zog die Decke über der Patientin hoch und blickte auf. Die Aufnahmeschwester stand am Fuß des Bettes.
    »Draußen wartet eine neue Patientin auf Sie.«
    »Danke. Ich komme sofort.« Zu der jungen Frau im Bett sagte sie: »Sie können morgen mit Ihrer Familie Weihnachten feiern, Martha.« Sie drückte der Patientin lächelnd die Hand, dann ging sie davon.
    Auf dem Weg zur Tür sah sie sich gewohnheitsmäßig aufmerksam um und gab im Gehen ihre Anweisungen.
    »Vergessen Sie nicht, Mrs. Mayers Füße einzureiben. Die Patientin in Bett sechs hat Atembeschwerden. Bitte legen Sie ihr noch ein Kissen in den Rücken.«
    Immer gab es etwas zu tun, immer etwas zu bedenken und zu beachten. Bei der Eröffnung des Krankenhauses hatte Samantha nicht geahnt, wie umfassend ihre Pflichten als Leiterin sein würden. Sie hatte nur an Patienten gedacht. Aber als Leiterin eines Krankenhauses hatte man weit mehr zu tun, als nur zu diagnostizieren und zu therapieren. Charity Ziegler kam regelmäßig mit ihren Berichten über die Schwestern; Mrs. Polanski hatte Schwierigkeiten mit der Hilfskraft in der Wäscherei; Mr. Buchanan, der Hausdiener, war wieder einmal betrunken; im Keller hatte man Mäuse entdeckt.
    Ehe Samantha ins Untersuchungszimmer ging, warf sie einen Blick auf ihre kleine Taschenuhr. Es war schon spät, und sie wollte noch ein wenig Zeit mit Jenny verbringen, ehe Warren kam. Sie hatte sich bereits vor Monaten dagegen entschieden, sie nach Berkeley auf die Taubstummenschule zu schicken. Sie hielt es für besser, wenn Jenny in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung blieb, und sie wollte dieses Kind, das sie liebte, um sich haben, da sie immer noch hoffte, einen Zugang zu ihr zu finden. Doch da sie nach Gesprächen mit Hilary und Darius eingesehen hatte, daß die wenige Zeit, die sie Jenny widmen konnte, niemals ausreichen würde, sie

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