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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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im Untersuchungszimmer sitzen geblieben, nachdem Marks Frau gegangen war. Sie hätte sich nicht von der Stelle rühren können, wenn sie gewollt hätte. Aber schließlich war sie aufge {369} sprungen, hatte Schwester Constance erklärt, sie wäre zu einem Notfall gerufen worden und war direkt zu Hilary gefahren.
    »Er lebt«, hatte sie nur gesagt, als Hilary die Treppen heruntergekommen war.
    »Wenn ich mir vorstelle, daß Mark hier, in San Francisco, ist«, sagte sie jetzt. »Inzwischen hat sie es ihm sicher erzählt. Er weiß, daß ich hier bin, Hilary.« Samantha schaute zur Tür, als erwarte sie ein Klopfen. »Ich darf ihn nicht sehen, Hilary.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es das Beste ist, alles so zu lassen, wie es ist. Er ist verheiratet und –« Sie mußte eine Pause machen, um die Tränen niederzukämpfen. »Ich habe Angst.«
    »Wovor?«
    »In meiner Phantasie liebt Mark mich immer noch. Abends im Bett brauche ich nur die Augen zuzumachen, und wir sind wieder zusammen wie damals. Aber wenn er jetzt sogar hier in der Stadt lebt, wird sich das ändern. Besonders wenn – wenn er mich durch die Amnesie für immer vergessen haben sollte. O Gott, wenn ich mir vorstelle, daß alles, was wir miteinander geteilt haben, vielleicht für ihn ausgelöscht ist …«
    Hilary setzte sich zu ihr. Sie war erschüttert und hätte jetzt gern einen Löffel Farmers Frauenfreund genommen, um sich zu stärken, aber sie hatte nichts im Haus. Nachdem sie sich von ihrem Sturz erholt hatte, war ihr erster Gedanke gewesen: Lieber Gott, ich danke dir, daß ich das Kind nicht verloren habe. Dann hatte sie Samantha versprochen, das Stärkungsmittel aufzugeben. Aber zu ihrem Schrecken war das nicht so leicht gegangen, wie sie erwartet hatte. Jeden Tag mußte sie das bohrende Verlangen danach von neuem niederkämpfen. Aber sie wußte, daß sie siegen würde. Der Sturz hatte ihr einen heilsamen Schrecken eingejagt.
    »Ich habe vor zwei Dingen Angst, Hilary«, sagte Samantha. »Ich habe Angst, daß er sich meiner nicht erinnert, aber ich habe genauso Angst davor, daß er sich erinnert und mich immer noch liebt. Ich glaube, das könnte ich nicht aushalten, Hilary – zu wissen, daß er mich noch genauso liebt wie früher, aber daß wir getrennt bleiben müssen …«
    Eine Weile schwiegen sie beide, jede in ihre eigenen Gedanken versunken, dann sagte Hilary: »Du weißt, daß du für sie alles tun mußt, was in deiner Macht steht, Sam. Sie ist Marks Frau. Er liebt sie. Und die beiden wünschen sich ein Kind.«
    Samantha drückte wie im Schmerz die Augen zu. Ich hatte einmal ein Kind …
    {370} »Dreizehn Jahre sind vergangen, seit du mit ihm zusammen warst, Sam. Ihr seid andere Menschen geworden.«
    »Aber er ist immer bei mir geblieben.«
    »Das ist ein anderer Mark, Sam, nicht der, der jetzt irgendwo hier in San Francisco ist. Empfange sie morgen. Stell dich ihr. Du weißt, wenn ihr jemand helfen kann, dann du. Du bist vielleicht ihre einzige Hoffnung. Sam, mach deinen Frieden mit der Vergangenheit.«
     
    Sie wappnete sich innerlich. Die Frau wartete auf sie – Mrs. Rawlins. Hilary hatte recht – sie mußte sich der Gegenwart stellen, der Tatsache, daß sie sich beide verändert hatten. Mark hatte seine Frau und seine Karriere. Sie hatte das Krankenhaus, Jenny und Adam, den Kampf um Reformen in der Medizin. Was war denn geblieben von jenem Zwischenspiel vor dreizehn Jahren? Nicht einmal das Kind.
    Lächelnd trat sie ins Untersuchungszimmer. »Guten Tag, Mrs. Rawlins.«
    »Guten Tag, Doktor«, sagte Marks Frau.
    »Ich werde Ihnen während der Untersuchung immer genau sagen, was ich gerade tue. Bitte ziehen Sie sich jetzt aus und setzen Sie sich auf den Untersuchungstisch.«
    Samantha wandte sich ab, um ihre Instrumente zurechtzulegen, und hörte hinter sich die wohlmodulierte Stimme von Marks Frau. »Ich habe meinem Mann gestern abend von Ihnen erzählt, Doktor, aber er sagte, er könne sich nicht an Sie erinnern.«

6
    Samantha sah sich mit Befriedigung die Broschüren an. Sie hatte viele Stunden damit zugebracht, alle im Krankenhaus vorhandenen Krankengeschichten zu lesen, um über Patientinnen, die infolge der Einnahme von diesen Arzneimitteln suchtkrank geworden waren oder andere Schädigungen davongetragen hatten, genaue Daten zu sammeln. Unter Verwendung dieser Angaben hatte sie eine Streitschrift verfaßt, in denen sie alle Frauen vor den verborgenen Gefahren solcher Mittel warnte, wobei sie sogar so weit gegangen war, Namen

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