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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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dürfen. Jetzt war ihr klar, warum Jenny seit drei Wochen so bedrückt und verschlossen war. Sie hatte mehrmals versucht, mit ihr zu sprechen, hatte sich auch an Adam gewandt, der mit ähnlicher Trauer {367} miene durchs Haus ging wie Jenny, aber keiner von beiden hatte ihr sagen wollen, was los war. Als der Brief gekommen war,
     hatte Samantha begriffen.
    An diesem Abend wollte sie ernsthaft mit den beiden reden.
    Es klopfte, und Schwester Constance trat ins Zimmer.
    »Dr. Hargrave? Es tut mir leid, daß ich Sie stören muß, aber wir haben ein Problem. Dr. Canby, die heute eigentlich in der Neuaufnahme Dienst hat, operiert noch, und im Untersuchungszimmer wartet eine Dame auf sie.«
    »Gut, Constance, ich mach’ das schon.«
    Als Samantha eintrat, stand die Frau auf und bot ihr die Hand, als empfänge sie sie zum Tee. »Guten Tag, Doktor.«
    »Guten Tag. Bitte, nehmen Sie doch wieder Platz.« Unauffällig musterte Samantha die Frau, unverkennbar Oberschicht, elegant, gepflegt, kultiviert. Sie war etwa Ende dreißig, sehr hübsch, selbstsicher und allem Anschein nach kerngesund. Samantha fragte sich, was sie auf dem Herzen haben könnte.
    »Ich bin noch nicht lange in San Francisco, Doktor. Wir sind vor kurzem erst aus St. Louis hierher gezogen. Dort war ich bei verschiedenen Spezialisten, die mir alle keine Hoffnung machen konnten, aber Ihr Krankenhaus hat einen so ausgezeichneten Ruf, daß ich es doch noch einmal versuchen wollte.«
    »Worum geht es denn?«
    »Ich wünsche mir ein Kind. Ich war einmal schwanger, vor sechs Jahren, aber unmittelbar nach der Entbindung bekam ich Kindbettfieber. Es war sehr schlimm, und mein Kind ist daran gestorben. Seitdem bin ich nicht wieder schwanger geworden. Mein Mann und ich hätten so gern ein Kind.«
    »Ich verstehe. Ich kann noch nicht sagen, ob ich etwas für Sie tun kann. Dazu muß ich Sie erst untersuchen. Weiß Ihr Mann, daß Sie zu mir gekommen sind?«
    »O ja. Er drängte mich sogar, zu Ihnen zu kommen. Er hat großes Vertrauen in die Medizin.« Sie lächelte. »Verständlicherweise. Er ist selbst Arzt. Er lehrt hier an der Medizinischen Fakultät der Universität.«
    »Aus St. Louis? Vielleicht kenne ich ihn.«
    »Eigentlich kommen wir aus New York. Sein Name ist Mark Rawlins.«
    Samantha starrte sie an. »Was sagten Sie?«
    »Der Name meines Mannes ist Mark Rawlins.«
    »Das ist unmöglich. Mark Rawlins ist tot.«
    {368} »Pardon? Kannten Sie ihn? Oh, Sie sprechen von der Schiffskatastrophe?
    Das war lange, ehe ich ihn kennenlernte. Mark wurde zusammen mit elf anderen Passagieren von einem Fischerboot gerettet.«
    Samantha war wie betäubt. Sie senkte den Blick zu ihren Händen. »Und ich dachte all die Jahre, er sei tot.«
    »Dann haben Sie ihn also gekannt?«
    »Ja. Ja, vor langer Zeit.«
    »Ich wußte gar nicht – Kannten Sie ihn denn gut?«
    Samantha hob den Kopf. Ihre Augen wirkten gläsern. »Ich kannte seine Familie.«
    »Ach so. Ich habe Marks Eltern leider nicht mehr kennengelernt. Sie lebten beide nicht mehr, als ich nach New York kam.«
    »Ein Fischerboot …«
    »Ja, es rettete ihn und elf andere Passagiere. Sie waren die einzigen Überlebenden des Unglücks. Sie trieben zwei Wochen lang in einem Rettungsboot auf dem Meer, ehe sie gefunden wurden. Natürlich waren sie alle völlig erschöpft. Mark litt hinterher zwei Monate lang an Amnesie; niemand in dem Fischerdorf wußte, wer er war oder mit wem man hätte Kontakt aufnehmen können. Aber als er sich langsam von den Strapazen erholte, kam auch sein Gedächtnis zurück. Seine Rückkehr nach New York erregte ziemliches Aufsehen. Es wundert mich, daß die hiesigen Zeitungen nicht darüber berichteten.«
    »Vielleicht haben sie das getan. Ich war gerade erst angekommen und hatte viel zu tun. Aber wie dem auch sei, ich freue mich sehr, daß es ihm gut geht. Und sein Erinnerungsvermögen ist ganz wiederhergestellt?«
    »Er hat noch ein paar Lücken, aber im großen und ganzen, ja.«
    »Er muß ja Schreckliches durchgemacht haben.«
    »Die anderen erzählten, er hätte seine Essens- und Wasserrationen den Frauen und Kindern gegeben.«
    Samantha sah auf ihre Uhr. »Ich habe leider gleich noch einen Termin, und eine Untersuchung braucht ihre Zeit. Können Sie morgen noch einmal kommen?«
    »Aber natürlich.«
    Sie standen beide auf. »Ich hoffe, ich werde Ihnen morgen sagen können, wie es für Sie aussieht. Paßt Ihnen zwei Uhr?«
    »Ja, vielen Dank, Doktor. Auf Wiedersehen.«
     
    Samantha war noch lange

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