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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Schlag war alles wieder da: Die Menschen, die Lichter, der Lärm.
    »Guten Abend, Mrs. Rawlins.«
    »Lilian, ich kenne die Dame doch. Sie ist Dr. Hargrave, nicht Dr. Canby.«
    Samantha klärte das Mißverständnis auf, und Lilian sagte: »Ach, das ist aber schön. Es muß für Sie beide eine wunderbare Überraschung sein, nach den langen Jahren. Möchten Sie und Ihre Freunde nicht nach der Vorstellung mit uns essen, Dr. Hargrave?«
    Samantha fand den Abend peinlich bis zur Unerträglichkeit. Sie erzählte Mark von ihrem Leben in San Francisco, und er erzählte ihr von seiner Rettung nach dem Schiffsunglück und seinem Leben danach, aber das Gespräch blieb freundlich und höflich.
    Aber kurz bevor sie alle aufbrachen, sagte Mark, er würde sich das Krankenhaus gern einmal ansehen. Samantha war selig. Strahlend lud sie ihn {375} für die folgende Woche zu einem großen Rundgang unter ihrer persönlichen Führung ein.
    Als der Tag kam, war sie so aufgeregt, daß sie sich kaum auf ihre Arbeit konzentrieren konnte. Sie liebte ihn immer noch. Die dreizehn Jahre der Trennung waren ausgelöscht. Es war wieder 1882.
    Schwester Constance fielen Samanthas unnatürlich gerötete Wangen auf, und sie fragte sich beunruhigt, ob sie vielleicht eine Krankheit ausbrüte.
    Das ist ja lächerlich, schalt Samantha sich im stillen. Ich benehme mich wie ein Backfisch.
    Trotzdem fuhr sie zusammen, als die Tür sich öffnete.
    »Mark«, sagte sie, sich umdrehend.
    »Hallo, Samantha.«
    Lange sahen sie sich schweigend an, dann sagte Samantha: »Setz dich doch, Mark. Trinken wir eine Tasse Tee zusammen.«
    Er setzte sich in den Sessel vor ihrem Schreibtisch und schaute sich um. »Du bist weit gekommen, Samantha«, sagte er leise.
    »Wir sind alle stolz auf das Krankenhaus.« Sie konnte kaum das Zittern ihrer Hände beherrschen, als sie den Tee einschenkte. »Habt ihr euch in San Francisco schon eingelebt?«
    »Wir haben ein Haus bei der Marina gefunden.«
    Samantha führte ihre Tasse zum Mund, aber sie trank nicht. »Ich kann nicht trinken«, sagte sie. Die Tasse klirrte, als sie sie in die Untertasse stellte. »Mark, ich kann es immer noch nicht fassen. Es ist wie ein Traum.«
    »Es ist wie damals, Samantha. Wie damals auf dem Weihnachtsball bei den Astors. Als wären die Jahre dazwischen nicht gewesen, als wäre alles nur an mir vorbeigerauscht. Nicht einen einzigen Tag habe ich aufgehört, an dich zu denken, Samantha, mich nach dir zu sehnen. Ich liebe dich immer noch, Samantha.«
    »Ach, Mark. Es ist unmöglich. Wir hatten unsere Zeit, und jetzt ist sie vorbei. Es ist so schmerzhaft.«
    »Ich habe dich überall gesucht, Samantha«, sagte er gepreßt. »Als ich endlich nach New York zurückkam, war ich fast wahnsinnig vor Sehnsucht nach dir. Und du warst fort. Niemand konnte mir sagen, wohin du gegangen warst. Janelle erzählte mir von ihrem letzten Besuch bei dir, daß deine Sachen schon gepackt waren. Aber du hattest keinem Menschen gesagt, wohin du reisen wolltest. Du bist einfach verschwunden. Ich schrieb an Landon Fremont, der nach Europa gegangen war, aber ich bekam keine Antwort. Dann machte ich mich selbst auf die Suche. Ich {376} dachte, du wärst vielleicht nach England zurückgekehrt. Ich folgte einer falschen Fährte von London nach Paris. Man sagte mir, eine junge Ärztin hätte eine Schiffspassage gekauft – aber es führte zu nichts. Ich reiste weiter nach Wien zu Landon. Aber als ich ankam, hörte ich, daß er gestorben war. Vier Jahre lang suchte ich wie ein Verrückter nach dir, Samantha. Warum bist du einfach fortgegangen? So überstürzt und ohne einem Menschen etwas zu sagen?«
    Sie war nahe daran, ihm von Clair zu erzählen, ihrem gemeinsamen Kind. Aber dies war nicht der Moment dafür; vielleicht würde der richtige Moment niemals kommen.
    »Ich glaubte, du wärst tot«, sagte sie.
    Er nickte nur.
    Samantha holte tief Atem. »Die Vergangenheit ist vorbei, Mark. Wir leben im Heute. Ich würde dir jetzt gern das Krankenhaus zeigen, wenn du möchtest.«
    Er sah sie mit einem Blick an, der Trauer und Sehnsucht enthielt. Dann stand er auf. »Ja, ich würde es mir sehr gern anschauen.«
    Es war schwierig für beide, wie zwei Fremde nebeneinander herzugehen, ohne sich zu berühren, ohne ein Wort der Zärtlichkeit miteinander zu wechseln. Aber sie schafften es, und als sie dann durch die Säle gingen, über Fachliches sprechen, Mark Fragen stellte und Samantha erklärte, ließ der Schmerz langsam nach. Sie waren in der Tat

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