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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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mit geballter Faust. »Sie da! Ihren Lügen habe ich geglaubt!«
    Die Leute im Saal tuschelten. Fenwick neigte sich zu Cromwell hinüber und flüsterte ihm etwas zu. Berrigan wartete auf ein Signal von Stanton, erhielt es und sagte: »Keine weiteren Fragen.«
    Als Cromwell aufstand und sich über seinen roten Vollbart strich, sagte Samantha leise zu Stanton: »Kann man das nicht abbrechen?«
    »Nein. Wir haben keine Wahl.«
    »Es war ein Fehler. Er wird sie vernichten, die arme Frau.«
    »Mrs. Sargent«, begann Cromwell mit dröhnender Stimme, »Sie berichteten dem Gericht, daß Sie an Fibromen litten. War das ein chronisches Leiden, das heißt, hatten Sie es die ganze Zeit?«
    »Beinahe, ja.«
    »Wie weit war es fortgeschritten, als Sie an Mrs. Fenwick schrieben?«
    »Nicht sehr weit.«
    {418} Cromwell machte große Augen. »Sie schrieben ihr wegen eines Leidens, das Sie noch gar nicht hatten?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Sie drehen mir das Wort im Mund um.«
    »Ich bin verwirrt, Mrs. Sargent. Wenn Sie damals noch nicht wußten, welcher Art Ihr Leiden war, wie konnten Sie dann Mrs. Fenwick ausreichende Informationen für eine richtige Diagnose geben?«
    »Ich hatte die Symptome.«
    »Und was waren das für Symptome, Madam?«
    »Sie als Mann würden das ja doch nicht verstehen.«
    »Mrs. Sargent, wollen Sie behaupten, daß die Mitglieder dieses Gerichts, der Herr Vorsitzende und die Herren Geschworenen eingeschlossen, nicht imstande sind, die Umstände zu begreifen, die Sie veranlaßten, jenen ersten Brief zu schreiben? Wie sollen wir dann feststellen, ob dieser Brief überhaupt legitim war.«
    »Er war legitim«, schrie sie und brach in Tränen aus.
    »Mr. Cromwell«, sagte Richter Venables, »Sie bedrängen die Zeugin. Mrs. Sargent, die Vernehmung ist beendet.«
    Während ein Gerichtsdiener der Frau aus dem Saal half, hielten die Beklagten und ihre Anwälte eine kurze Besprechung. Dann stand der junge Berrigan auf und sagte mit sichtlichem Widerstreben: »Euer Ehren, wir rufen Dr. Samantha Hargrave.«
     
    Der Reporter mit dem Skizzenblock konnte sich nicht entscheiden. Bei den anderen war ihm die Wahl leichtgefallen: Cromwell stellte er als Grizzlybären dar, Berrigan als Kranich, Stanton Weatherby als Bluthund, Richter Venables als Bernhardiner. Aber Dr. Hargrave war nicht so leicht einzuordnen. Wegen ihrer ungewöhnlichen Augen fing er mit einer langhalsigen ägyptischen Katze an, verwarf den Einfall dann, weil ihm das Tier als zu eitel und selbstsüchtig erschien. Als nächstes versuchte er es mit einem Rassepferd, aber das war ihm nicht weiblich genug; dann mit einem Reh, doch das fand er zu scheu. Am Ende kreierte er ein mit Flügeln ausgestattetes Phantasiegeschöpf, das Anmut und große Kraft zugleich in sich vereinigte. Und während er zeichnete, begann Samantha zu sprechen.
    Sie überraschte sie alle und enttäuschte sie auch ein wenig. Sie hatten erwartet, daß sie sich ereifern, daß sie schreien und toben und ihnen eine spannende Vorstellung liefern würde; statt dessen saß Samantha ruhig und locker auf ihrem Stuhl im Zeugenstand und sprach mit lauter und klarer Stimme.
    »Euer Ehren, werte Herren Geschworene, dies ist ein Unglückstag in der {419} Geschichte unseres Landes, denn allein unsere Anwesenheit hier zeigt uns der Welt als eine Nation von geldgierigen Beutelschneidern, die für den Dollar Ehre und Leben drangeben. Aber ich bin sicher, daß Mr. Fenwick dieser Streit hier keinen Gewinn bringen wird, denn das Leichenhemd hat keine Taschen.«
    Samantha richtete ihre Augen mit kaltem Blick auf Mr. Fenwick und fühlte sich wieder von dieser unerklärlichen Mattigkeit überkommen, so daß sie unwillkürlich die Hand aufs Geländer des Zeugenstands legte. Mark, der sie beobachtete, hatte den Eindruck, daß sie ungewöhnlich bleich war.
    »Ich habe viele Zeuginnen, die aussagen möchten, aber ich würde gern für sie alle sprechen. Lassen Sie mich nur wenige Fälle zitieren. Eine Frau entdeckte eines Morgens, daß sie an einer intimem Stelle ihres Körpers eine kleine wunde Stelle hatte. Unverheiratet, ihr Leben lang von schamhafter Zurückhaltung, glaubte sie den Behauptungen in den Anzeigen der Firma Fenwick, daß eine Frau sich nicht einmal einem Arzt zeigen solle. Sie schrieb daher an Mrs. Fenwick und erhielt zur Antwort, daß die Einnahme von einem Eßlöffel Wundermixtur täglich ihr kleines Problem beheben würde. Mit keinem Wort wurde in dem Antwortschreiben die wunde Stelle erwähnt,

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