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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Venables konnte die erregten Zuhörer auch mit krachenden Hammerschlägen kaum bändigen. Samantha schloß die Augen und holte mehrmals tief Atem. Du hattest recht, Horace, dachte sie, sie haben uns niedergemacht.
     
    Life
und die
Saturday Evening Post
waren auf der Seite der drei Beklagten und brachten satirische Zeichnungen von einer großen Raubkatze, die ein Gesicht wie John Fenwick hatte und schlotternd vor drei kleinen Mäusen mit Holzkeulen stand. Die übrigen Presseberichte jedoch waren negativ.
    »Und was kommt jetzt, Stanton?«
    Sie saßen beim Abendessen im Haus der Gants. Draußen fiel ein feiner Regen, und die Luft war so still und schwül wie vor einem nahenden Gewitter.
    »Was jetzt? Nun, Cromwell hat vielleicht noch ein paar Zeugen, aber ich würde sagen, daß er kurz vor dem Abschluß ist. Er hat’s ja den Geschworenen beinahe unter die Nase gestrichen, daß alle in
Woman’s Companion
abgedruckten Berichte nichts als Lüge waren.«
    Dabei ließ es Stanton bewenden. Er hatte in den vergangenen vierzehn Tagen Gelegenheit genug gehabt, sich von Cromwell ein Bild zu machen, und er ahnte, was als nächstes kommen würde, aber er behielt seinen Verdacht für sich.
    Am vierzehnten Tag erfolgte das Manöver, das Stanton befürchtet hatte. Als Clara Hains, Chandlers Sekretärin, aufgerufen wurde, war Stanton der einzige im Saal, der nicht überrascht war.
    {414} »Kennen Sie Dr. Hargrave, Miss Hains?«
    »Ja, Sir.« Die arme Person sah mit verzeihungheischendem Blick zu ihrem Arbeitgeber. Horace mußte sich abwenden. Er ahnte jetzt, was Cromwell vorhatte, und konnte die Qualen seiner Sekretärin nicht mitansehen.
    »Hat Dr. Hargrave Mr. Chandlers Büro häufig aufgesucht?«
    »Ich weiß nicht, was Sie mit häufig meinen.«
    »Einmal in der Woche?«
    »Es war eher einmal alle zwei Wochen.«
    »Und was ging während dieser Besuche vor?«
    »Einspruch.«
    »Stattgegeben.«
    »War bei diesen Besuchen sonst noch jemand zugegen?«
    »Ja, Sir. Dr. Rawlins.«
    »Dauerten diese Sitzungen manchmal bis in den Abend?«
    Berrigan sprang auf. »Einspruch! Euer Ehren, diese Fragen haben mit dem Gegenstand der Verhandlung nichts zu tun.«
    »Mr. Cromwell«, sagte Richter Venables, »ich nehme an, Ihre Fragen haben ein Ziel?«
    »Euer Ehren, es geht uns darum, die moralische Haltung dieser Herrschaften festzustellen, die meinen Mandanten angegriffen haben. Mr. Fenwick hat aufgrund dieser Angriffe Einkommenseinbußen erlitten, seine Gesundheit ist angeschlagen, seine Glaubwürdigkeit als Geschäftsmann wurde in Frage gestellt. Aus diesem Grund ist es unerläßlich, die moralischen Qualifikationen derer festzustellen, die mit den Steinen geworfen haben.«
    »Einspruch abgelehnt. Bitte beantworten Sie die Frage, Miss Hains.«
    »Ja, manchmal dauerten die Sitzungen bis zum Abend.«
    »Haben Sie auch daran teilgenommen?«
    »Nein, Sir.«
    »Es waren also nur Dr. Hargrave und die beiden Herren.«
    »Ja, Sir.«
    »Mußten Sie ihnen Erfrischungen bringen?«
    Miss Hains nestelte nervös an ihrer Handtasche. »Tee und Kekse.«
    »Haben Sie ihnen auch Alkohol serviert?«
    Sie senkte den Kopf. »Einmal habe ich ihnen Brandy gebracht.«
    Stanton Weatherby sah zu den zwölf Geschworenen und bemerkte zum erstenmal echtes Interesse in den Gesichtern.
    »Wissen Sie, worüber in Mr. Chandlers Büro gesprochen wurde?«
    »Es ging immer um Arzneimittel, Sir.«
    {415} »Um bestimmte?«
    »Meistens um Sara Fenwicks Mixtur.«
    »Mit anderen Worten, um ein Heilmittel für Frauenleiden.«
    »Ja.«
    »Haben Sie auch Bücher oder Zeitschriften gesehen?«
    »Auf Mr. Chandlers Schreibtisch lagen immer alle möglichen Broschüren und Briefe und medizinische Fachzeitschriften herum.«
    »Welchen Inhalts waren diese Materialien?«
    Miss Hains war hochrot im Gesicht. »Die meisten handelten von – von Frauenleiden.«
    »Sie sagen also«, rief Cromwell mit erhobenem Zeigefinger, »daß die drei Beklagten, eine Frau und zwei Männer, bis in die Nacht hinein in Mr. Chandlers Büro beisammen saßen, Alkohol tranken und sich über die intimsten Teile des weiblichen Körpers unterhielten!«
    Als die Reporter hinausstürzten, klopfte Richter Venables energisch auf den Tisch und vertagte dann die Sitzung, um ›die Herren von der Presse zu einer Lektion über ordnungsgemäßes Verhalten vor Gericht‹ in sein Büro zu bitten.
     
    Am nächsten Morgen defilierte unter grauem Himmel eine Schar von Frauen mit Schildern und Tafeln, die Jonathan Cromwells

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