Sturmjahre
niederträchtige Taktik anprangerten, vor dem Gerichtsgebäude auf und nieder. Der Verlauf der Verhandlung war für die drei Beklagten so niederschmetternd wie in den Tagen zuvor.
Am Abend trafen sie sich bei Samantha zum Essen.
»Ich bin sehr beunruhigt, Stanton«, sagte Samantha, die ihr Essen kaum angerührt hatte. »Jetzt, wo ich diesen Cromwell in Aktion gesehen habe, habe ich Angst um meine Patientinnen. Ich weiß nicht, ob sie seiner Strategie gewachsen sind.«
Stanton kam nicht dazu, ihr zu antworten. In diesem Moment nämlich läutete es draußen, und gleich darauf stürzte Berrigan in höchster Erregung ins Zimmer.
»Was ist passiert?« fragte Mark aufspringend.
»Cy Jeffries!« stieß Berrigan hervor und ließ sich in den nächsten Sessel fallen. »Er hat einen Unfall gehabt.«
»Was?«
»Darius, Whisky, schnell!«
»Kommen Sie, Berrigan. Trinken Sie.«
»Ist es schlimm?«
»Er ist im Krankenhaus. In Lebensgefahr. Man sagte mir, er wäre von der {416} Kabelbahn gestürzt und von einem vorübergehenden Wagen angefahren worden.«
Hilary begann zu weinen. Die Männer fluchten. Mark sah Samantha an. Ihr Gesicht war wie versteinert.
Sie hatte zwei Tage zur Vorbereitung. Der Unfall war am Freitag geschehen, und das Gericht trat erst am Montag wieder zusammen. Während es draußen in Strömen regnete, saß Samantha allein in ihrem Arbeitszimmer zu Hause, nahe beim warmen Feuer, ein Glas Rotwein in der Hand.
Sie hörte Mark hereinkommen und mit Miss Peoples sprechen, die ihm aus dem nassen Mantel half. Dann kam er ins Zimmer, küßte Samantha und setzte sich zu ihr.
»Wie geht es ihm?« fragte sie.
»Nicht gut. Er hat einen Gehirnschaden.«
»Mark«, sagte sie ruhig. »Ich werde in den Zeugenstand gehen.«
Er starrte sie an. »Was?«
»Cromwell wird meine Patientinnen mit seiner gemeinen Taktik völlig niedermachen. Das kann ich nicht zulassen.«
»Samantha!« Er stand auf und zog sie hoch.
Sie lehnte sich an ihn, ungewöhnlich müde und erschöpft. »Wir haben uns das jetzt lange genug angehört, Mark. Ich will endlich da hinauf und der Welt die Wahrheit sagen.«
»Überlaß Stanton die Taktik, Sam. Er kennt sich am besten aus.«
14
Im Gerichtssaal roch es nach feuchten Mänteln. Die Luft war muffig, die Atmosphäre kalt, daran änderten auch die vielen Menschen nichts, die eng zusammengepfercht auf den Bänken saßen. Der Vertreter des Klägers hatte am vergangenen Freitag seinen letzten Zeugen präsentiert; nun war die Reihe an den Beklagten.
»Euer Ehren«, begann der junge Berrigan, »wir hatten eigentlich vor, an dieser Stelle unseren Hauptzeugen, Mr. Cy Jeffries, aufzurufen. Leider jedoch hatte Mr. Jeffries einen schweren Unfall und liegt jetzt in kritischem Zustand im Krankenhaus. Es ist äußerst fraglich, ob er am Leben bleiben wird.«
Samantha mußte sich beherrschen, um nicht zu John Fenwick hinüberzuschauen, der ihrer Überzeugung nach diesen ›Unfall‹ arrangiert hatte.
{417} »Wir rufen Mrs. Joan Sargent in den Zeugenstand.«
Schüchtern trat die zierliche kleine Frau in den Saal und ging nach vorn. Der zeichnerisch begabte Reporter skizzierte eine Maus in einem viel zu großen Mantel.
»Mrs. Sargent«, sagte Berrigan, »würden Sie dem Gericht bitte berichten, wann Sie Dr. Hargrave das erstemal als Patientin aufsuchten.«
»Das war vor einem Jahr.«
»Würden Sie uns jetzt bitte sagen, warum Sie Dr. Hargrave aufgesucht haben?«
Mrs. Sargent mußte immer wieder ermahnt werden, lauter zu sprechen, obwohl es im Saal völlig still war, während sie berichtete. Sie erzählte von ihren Briefen an Sara Fenwick, von den Ratschlägen, die tägliche Dosis der Mixtur zu erhöhen, von Sara Fenwicks Empfehlung, sich keinesfalls einer Operation zu unterziehen, von ihrem in höchster Verzweiflung gefaßten Entschluß, zu Samantha zu gehen. Als sie von der Hysterektomie sprach, begann ihre Stimme zu zittern.
»Ich hatte Angst, daß mein Mann mich nicht mehr lieben würde, weil ich ja keine richtige Frau mehr war.«
»Würden Sie jetzt dem Gericht die Ursache dieses ganzen Elends nennen, Mrs. Sargent.«
»Ja!« rief sie so schrill, daß alle zusammenfuhren. »Dr. Hargrave sagte, wenn ich gleich zum Arzt gegangen wäre, anstatt an Mrs. Fenwick zu schreiben, wäre mir eine Menge Kummer erspart geblieben. Ich schrieb Mrs. Fenwick, daß ich sehr krank wäre, und sie schrieb nur zurück, ich solle noch mehr von ihrer Mixtur einnehmen.« Sie hob einen Arm und drohte John Fenwick
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