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Sturmkaempfer

Sturmkaempfer

Titel: Sturmkaempfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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sie doch beeinflussen. Tila lacht immer über mein Unwissen in dieser Hinsicht, aber es könnte sich als fatale Schwäche entpuppen, wenn sich erst die Götter in unsere Leben einmischen. Du kämpfst besser als jeder andere gewöhnliche Mann, den ich traf, aber ich brauche dein Wissen über die Götter und das ganze Land und seine Sprachen. Und das kann ich bei keinem anderen Soldaten finden.«

    Isak bemerkte, dass er zitterte. Die Idee, ein Versager zu sein, ging ihm etwas zu nah. »Denk darüber nach. Bald sitzen wir wieder im Sattel, aber du hast bis zur Feste Nerlos Zeit, um dich zu entscheiden. Danach verlassen wir das Farlan-Gebiet. Du kannst ein Waldläufer werden oder ein Meuchler. Oder ein Hofnarr, oder was du sonst willst, aber wenn du einen Lebenszweck suchst, dann liegt er hier, und du musst nur zufassen.«

24

    Als sich die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg über das Land suchten, ging eine Gestalt über die verlassenen Zinnen am Südwestende der Feste Nerlos. Der Mann trug nur ein grobes schwarzes Hemd und ausladende Hosen, was gar nicht zu dem kalten Morgen passen wollte. Als er aber auf die Eckplattform zwischen zwei Wehrgängen trat, schien ihm weder der Wind noch der kalte Stein unter seinen Füßen etwas auszumachen.
    Er kniete nieder und wandte sich der Sonne zu, die über die Wolken stieg, von denen beinahe der ganze Himmel bedeckt war. Dann verneigte er sich und flüsterte mit halb geschlossenen Augen ein Mantra. Während er das Gebet zehn Mal wiederholte und die Worte vom Wind davongetragen wurden, klang seine Stimme sanft, beinahe hypnotisch.
    Er sank auf die Fersen und lächelte dem Sonnenaufgang einige Minuten lang zufrieden zu, dann schloss er erneut die Augen und streckte scheinbar mühelos das rechte Bein aus, legte es flach auf den nach Norden weisenden Stein, wiederholte das Ganze mit dem linken Bein nach Süden. Während er sich vorbeugte und die Handflächen auf den Steinboden legte, glitten weitere Worte über seine Lippen, möglicherweise weniger formell, aber mit der gleichen Inbrunst vorgetragen. Er spannte sich an und legte das Gewicht langsam auf die Hände. Die Beine schwankten einen
Augenblick, bis er den Schwerpunkt seines Körpers gefunden hatte. Dann aber schloss er sie so, dass sie gerade nach oben wiesen.
    Er streckte die Arme aus und verlagerte das Gewicht auf eine Hand, verbog sich, bis er den leeren Wehrgang entlangschauen konnte. In Friedenszeiten gab es nur einen Ausguck auf dem höchsten Turm, und sonst war niemand mit der Dämmerung aufgestanden. Er bog seinen Körper in eine Halbmondform, dann warf er ihn herum und stand wieder.
    »Und was war das?« Die Stimme ließ Mihn erstarren, er sah misstrauisch in den dunklen Durchgang, bis Isak in das helle Sonnenlicht trat.
    »Ich betete.«
    Isak hob eine Augenbraue. »Beten? Ich habe noch nie einen Priester gesehen, der so etwas tat.«
    »Man muss kein Priester sein, um zu beten, mein Lord. Jedem Kind sollte man die Ehrerbietung den Mitgliedern des Höheren Kreises gegenüber beibringen.«
    »Das sollte man zweifellos – an einige davon kann ich mich möglicherweise sogar selbst noch erinnern – aber was war dieser letzte Teil? Wenn das jeder im Tempel tun müsste, wäre ich wohl öfter hingegangen.« Isaks Gelächter erstarb, als er Mihns ernsten Gesichtsausdruck bemerkte.
    »Das war ein persönliches Gebet, etwas, das man mir in meinem Stamm beigebracht hat. Es mag für jeden anders sein, ein Weg, um sich für etwas zu bedanken, das einem gefällt, oder eine bestimmte Fähigkeit …«
    »Dann sollte ich jeden Morgen jemanden töten? Das ist das Einzige, was sie mich gelehrt haben.« Isak bedauerte seinen scharfen Ton sofort, aber Mihns Ruhe wurde davon nicht erschüttert.
    »Ganz und gar nicht. Ich denke, Ihr habt viele Dinge, für die Ihr dankbar sein solltet: Eure Stärke, Eure Gesundheit, Eure Stellung. Und dann sind da Eure Gaben …«

    »Gut, ich verstehe, hör nur auf zu predigen. Wenn du beschlossen hast, zu bleiben und es zu deiner Lebensaufgabe zu machen, mich mit Frömmigkeiten zu übergießen, dann nehme ich alles zurück.«
    Isak trat von einem Bein aufs andere. Es war ihm nicht eingefallen, ein Dankesgebet für seine Gaben zu sprechen. Es hatte keine Gelegenheit dazu gegeben, als Nartis seine Träume erobert hatte, und dann war er mit seinem neuen Leben beschäftigt gewesen … man konnte nur hoffen, dass die Götter nicht den Menschen glichen. Isak hatte an den Festtagen, an denen es Tradition

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