Sturmkaempfer
einen Kampfrausch geriete, könnte er erschreckend viel Schaden anrichten, und wenn er eine Rasse angriffe, die noch nie einen Mann gesehen hat, würde er sie durchaus in Schrecken versetzen.«
»Ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Wenn ich die Gegenwart
von Nartis fühle, bin ich wie gelähmt …« Isaks Worte verklangen, denn er konnte das Gefühl nicht recht beschreiben.
»Und das verleiht ihm Gewalt über dich. Das ist Absicht – die Götter zeigen sich als leuchtendes Abbild, weil es Erstaunen hervorruft. Und je ehrfürchtiger du bist, umso mehr Macht haben sie. Nicht nur über dich. Ein Teil von dem, was sie erhält, besteht aus Glauben und Anbetung. Götter werden durch den Glauben stärker, dadurch, dass man sie als höhere Wesen betrachtet und entsprechend anbetet. Und unter anderem das unterscheidet Götter von Dämonen.«
»Unter anderem?«
»Es ist verpönt, sich über dieses Thema zu unterhalten. Der Status meiner ewigen Seele ist ohnehin strittig, da ich den Großteil meiner Zeit damit verbringe, Anhänger von Azaer zu jagen. König Emin kennt jedoch Männer, die diese Diskussion gern führen werden. Jetzt solltest du erst einmal einsehen, dass ein Dämon oder Geist versuchen wird, dich zu erschrecken, denn dann öffnest du dich ihm auch und verleihst ihm Kraft.«
Er hob die Hände und rieb sich über die Wangen, wobei die raue Haut über das mit Stoppeln übersäte Gesicht schabte. »Ich denke, es ist langsam Zeit für eine praktische Vorführung.«
Isak starrte ihn fasziniert an und sandte seine Sinne aus, um zu spüren, was mit Morghien geschah. Der Mann hob eine Hand, um die Bestrebungen des Krann zu unterbrechen, aber es war gar nicht notwendig. Ein Blick in Morghiens Gesicht reichte Isak aus, um sich eilig zurückzuziehen und den Geist von Eolis am Griff zu fassen.
Der Mann hatte sich verändert. Feine Wellen der Magie hatten die Falten in seinem Gesicht geglättet, das Rot seiner Wangen erhellt und die Nase verkleinert. Es war noch immer Morghien, aber seine Gesichtszüge waren nun beinahe die einer Frau.
Seine Stimme hatte sich auch verändert. »Halte deine Verteidigung
aufrecht, öffne dich nicht«, sagte Morghien, aber in seiner zuvor rauen Stimme lag nun ein melodischer Tonfall.
Isaks Mund war trocken, als er zu antworten versuchte, aber dann erinnerte er sich an Morghiens Worte. Wenn er sich anstrengte, konnte er hinter dem Schein die wahren Gesichtszüge des Mannes erkennen, und er hatte vollkommen recht: nur Isaks Wahrnehmung hatte sich geändert. Mit einem Lächeln verscheuchte er die Wellen des vorgegaukelten Bildes.
Morghien schrie schmerzerfüllt auf. Er riss die Hände zum Gesicht, als habe ihm Isak gerade ein Messer hindurchgezogen. Er fiel von dem Stamm und mit dem Gesicht nach unten zu Boden. Isak sprang erschrocken auf und Mihn kam mit Vesna im Schlepptau herübergerannt. Isak hob eine Hand, um sie abzuhalten.
»Nein, bleibt weg … haltet Abstand von ihm. Er hat mich nicht angegriffen.«
Sie schienen sich von dem Befehl zwar nicht beeindrucken zu lassen, und dennoch folgten sie ihm widerstrebend. Morghien blieb am Boden liegen, während sie sich zurückzogen.
Eine angespannte Stille entstand. Isak konnte in der Ferne das Kreischen eines Falken und das Rascheln toten Laubs hören, als ein Windhauch die Blätter erfasste und einige auf Morghiens Rücken landeten, als wollten sie mit der Beerdigung eines Mannes beginnen, der bewegungslos wie eine Leiche dalag.
Endlich atmete er aus, was ein einzelnes Blatt davonwehte. Er nahm mit Vorsicht die Hände vom Gesicht und erhob sich mühsam. Er war erschreckend bleich und ruhig, alle Spuren des Aspekts waren verschwunden, doch seine Wangen und Augenbrauen schienen leicht zu zittern. Dann atmete er erneut, und die Ruhe verschwand mit einem Mal, während er Luft einsog und seine Schultern von dieser Anstrengung zu zittern begannen.
»Es tut mir leid«, sagte Isak. »Wirklich. Was habe ich getan?«
Morghien tastete sich zu dem umgestürzten Baum weiter und zog sich hinauf. Nach einer halben Minute war etwas Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt. Er erklärte: »Es war meine Schuld. Ich hätte dir die Natur des Scheins besser erklären sollen. Aber es ist nichts Schlimmes passiert.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Seliasei wurde zwar verletzt, aber ich denke, es ist vor allem der Schreck. Der Schein ist ein Teil ihres Selbst. Ein örtlicher Aspekt ist immer noch ein Gott. Das ist keine Eitelkeit, sondern Teil ihrer
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