Sturmkaempfer
Essenz. Als du durch diese Wellen geschnitten hast, war es wie der Versuch, mein Gesicht mit einem Schlag zu zerstören – nur dass ich eine Form habe, zu der ich zurückkehren kann. Seliasei wird nur durch ihre Form bestimmt. Da ihr die Kraft fehlt, es in eine körperliche Gestalt zu bringen, lässt sie jede Verformung des Bildes vergessen, wer sie ist.«
Isak wirkte erschüttert. »Ich glaube, ich verstehe jetzt. Ich … Äh, könntest du ihr meine Entschuldigung ausrichten?« Wenn sich nicht Angst und Schmerz in Morghiens Gesicht deutlich gezeigt hätten, wäre er sich bei dieser Bitte dumm vorgekommen. Er erinnerte sich daran, dass der Verlust seines Selbstgefühls für einen Gott den Tod bedeutete. Eine heilige Macht konnte nicht wirklich getötet werden, aber wie Aryn Bwr mit Hilfe der Kristallschädel bewiesen hatte, konnte man sie zu einer Stimme im Wind werden lassen, bis an die Grenze zum Vergehen geschwächt, die sich nur noch daran erinnert, was sie einmal gewesen war. Isak hatte es bei dem Gedanken an eine Ewigkeit in solcher Form geschaudert: ein Gefühl des Verlusts als einziger verbleibender Splitter des Selbst.
»Sie wird sich erholen, aber in deiner Nähe wird sie nie wieder hervorkommen. Sie hatte schon vorher Angst vor dir. Sie ist eine örtliche Göttin, ein Aspekt, der einige Erinnerungen mit Vasle sowie seine Ansicht über die Vergangenheit teilt. Sie erfahren
das Jetzt auf gänzlich andere Weise als die Menschen. Für sie bist du zu einem gewissen Teil Schuld am Tod von Vasles Bruder, denn zu einem gewissen Teil hast du bewiesen, dass Götter zerstört werden können.«
»Ah. Und jetzt habe ich ihr etwas Ähnliches angetan. Es tut mir leid.«
»Da gibt es noch andere Probleme. Sie hatte zugestimmt, deinen Geist zu berühren, um dir dabei zu helfen, zu verstehen, warum Xeliath denkt, man wolle dich angreifen. Jetzt …« Morghien ließ den Satz unvollendet. Seine Augen blickten ins Leere, als lausche er einer leisen Stimme hinter Isak, der ihn schweigend betrachtete.
»Wir müssen es wohl versuchen«, sagte er schließlich laut. Isak brannte darauf zu fragen, was denn beschlossen worden war, aber er hatte bereits genug Ärger verursacht. Außerdem war er zu ungeduldig, um weiteren Erklärungen zuzuhören.
»Bitte, setz dich wieder.« Morghien wies auf den gestürzten Baum. Sobald sie sich erneut gegenübersaßen, schloss Morghien die Augen und tat einige tiefe Atemzüge. Als er wieder zu Isak aufsah, wirkte er ruhiger, zwar noch immer wie er selbst, aber nun auf das vorbereitet, was vor ihm liegen mochte.
Mit den Fingerspitzen berührte er Isaks Stirn. Das Weißauge zuckte leicht zurück, lehnte sich dann aber vor, damit sich Morghien nicht so weit strecken musste. Dabei bemerkte Isak, dass seine Schultermuskeln vor Anspannung hart waren und wohl darauf warteten zuzuschlagen. Er zwang sich dazu, sich zu entspannen und öffnete seinen Geist erneut.
Eine eisige Brise berührte seine Wange, wie das Streicheln von Winterfingern. Er schloss die Augen, um sich auf die sanfte Berührung zu konzentrieren, die über seine Haut strich. Ein Prickeln begann auf seiner Stirn, wo Morghien ihn berührte, und wanderte über seine rechte Augenbraue bis in seinen Wangenknochen
hinein. Das sanfte Gefühl wurde stärker und Isak spürte bald, wie die Wärme seines Körpers aus der Haut zu weichen begann. Diesmal achtete er darauf, die Form nicht zu stören, die sich so gierig von ihm nährte. Was es auch sein mochte, es war jedenfalls nicht stark genug, um ihn zu verletzen, selbst wenn das seine Absicht gewesen wäre.
In seinem Geist bemerkte Isak einen uralten Geruch, nicht wirklich unangenehm, aber auch nicht gut. Der trockene Geruch einer Grabkammer, eher das Aroma von ungestörten Jahren als das eines Leichnams, aber dennoch hing es mit einem toten Ort zusammen. Das eisige Prickeln wurde stärker und glitt zu seiner Halsschlagader hinab.
Jetzt hielt Isak es vorsichtig auf, umfasste das hilflose Gespenst, um es zu binden und ruhig zu halten, damit er sich in Ruhe ansehen konnte, womit er es zu tun hatte. Es war noch immer fürchterlich schwach, hatte aber genug Stärke aus ihm gezogen, um das Bild eines Männergesichtes in Isaks Geist erscheinen zu lassen. Er konnte in weißen Nebel geschnittene Züge erkennen: ein schmaler Kiefer, tiefliegende Augen, zurückweichendes Haar auf einer glatten Stirn. Das Erste, an das sich der Schatten von sich selbst erinnern konnte.
Wie bei Seliasei galt dem
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