Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmkaempfer

Sturmkaempfer

Titel: Sturmkaempfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
Vom Netzwerk:
wollen wir runtergehen und sehen, ob der Junge all den Ärger überhaupt wert ist.«
     
    Isak döste am Tisch, den Kopf auf den Armen, trotz des anhaltenden Murmelns im Raum. Der bittere Geruch von Fett trieb vom Feuer herüber, und in seinem weggetretenen Zustand leckte er sich die Lippen, schmeckte den Reheintopf erneut, mit dem er sich den Wanst vollgeschlagen hatte.
    Fleisch bedeutete in Isaks Leben eine seltene Freude, da das Jagdrecht ausschließlich den Leuten zustand, die dafür bezahlten. Nomaden, Reisende, die Armen – sie alle konnten ihr üblicherweise mageres Mahl nur mit Vögeln aufwerten, die sie mit der Schleuder schossen, und das war schon ohne einen ratternden Wagenzug, der sie verscheuchte, schwer genug. Dies war einer der wenigen Tage gewesen, an denen Isaks natürliche Begabung und sein scharfes Auge seinen Leuten Gutes gebracht hatten. Wenn er eine Gans oder Wildente für den gemeinsamen Kochtopf geschossen hatte, war das eine der seltenen Gelegenheiten, zu denen ihn sein Vater beinahe einmal lobte.
    Durch seine Erinnerungen abgelenkt, bemerkte er die Veränderung in der Halle nur langsam. Die Stimmen waren verstummt. Die Haare in seinem Nacken sträubten sich und ein Kribbeln der Vorahnung lief ihm über den Rücken. Als er aufblickte, standen alle Männer im Raum. Ein Waidmann am Nachbartisch funkelte ihn an und nach einem kurzen Augenblick des Schreckens sprang Isak auf – und stand unmittelbar vor einem drahtigen Mann, der einige Zentimeter kleiner war als er. Dahinter befand sich ein Riese, fast einen halben Meter größer als Isak, der eine glatte blaue Maske trug.
    »So, Ihr seid also der Neuankömmling«, sagte der Kleinere der beiden. Das Lächeln des Mannes wurde breiter, während er Isak
von Kopf bis Fuß musterte. Isak, der sich wie eine Kuh auf dem Viehmarkt vorkam, musste sich zusammennehmen, um ruhig zu bleiben.
    »Willkommen im Tirah-Palast. Habt Ihr einen Namen, mein Lord?«
    »Äh, mein Name ist Isak, mein Herr.« Isaks Augen huschten vom einen Gesicht zum anderen. Der maskierte Riese hatte sich noch nicht ein einziges Stück bewegt. Als wäre er eine Statue, dachte Isak. Eine Erinnerung regte sich in den Tiefen seines Geistes, etwas Undeutliches knapp unter der Oberfläche. O ihr Götter, das ist Bahl .
    Noch immer bewegte sich der Mann nicht und sagte kein Wort, aber seine Augen starrten tief in diejenigen Isaks, und er fühlte sich, als blicke ihm der Mann bis ganz tief in die Seele hinein, um sie ohne jede Gefühlsregung zu untersuchen und zu bewerten.
    Isak spürte, dass alle Augen auf das alte Weißauge gerichtet waren; Lord Bahl strahlte eine Aura der Macht aus, durch die sich die Aufmerksamkeit auf ihn konzentrierte. Sie war wie ein gleißendes Feuer in der Mitte des Raumes; sogar mit dem Rücken zu ihm hätte Isak die Hitze gespürt. Plötzlich streckte der Mann die Hand aus. Isak starrte die riesigen Finger vor sich an, blinzelte, als habe er noch niemals eine Hand gesehen, und umfasste dann zitternd Bahls Handgelenk – und die große Hand schloss sich um seines.
    »Isak. So hätte ich meinen Sohn zwar nicht genannt, aber ein Mann muss sich letztlich einen eigenen Namen machen. Ich vermute, die Götter werden dir den kruden Humor deines Vaters nicht vorhalten. Willkommen, Isak.«
    »D-danke, mein Lord«, bracht Isak nur heraus. Er hatte sich an seinen Namen gewöhnt. Er erinnerte sich heute kaum noch daran, dass Horman ihn Isak gekannt hatte – Kasi rückwärts –,
um die Götter zu verspotten, die ihm seine geliebte Frau genommen hatten. Jetzt, als Bahl seinen Unterarm hielt, spürte Isak einen plötzlichen Druck hinter den Augen. Er spürte auch die gewaltige Anwesenheit des Landes unter seinen Füßen – und sein Herzschlag pochte in seinem Kopf. Dann kehrten die Erinnerungen an seine Träume zurück, stürmten über diese Berührung auf ihn ein. Isaks Knie gaben nach und Sterne standen ihm vor Augen, bevor alles schwarz wurde.

4

    Er erinnerte sich an die Insel, das Gefühl der brennenden Sonne und der kühlen Kiesel … und den lähmenden Schrecken. Er erinnerte sich ebenso an die Kammer, die Säulenreihen, die ein gewaltiges Gewölbe hielten, in dem Sternengruppen glitzerten, als auch an das Klirren von Stahl und Tod – an das erschreckende Rot des Blutes. Er erinnerte sich an den toten Mann, dessen Gesicht sich nun aus dem Schatten schälte.
     
    Als Isak die Augen öffnete, sah er das gleiche Gesicht auf sich herniederschauen, ausdruckslos,

Weitere Kostenlose Bücher