Sturmkaempfer
aber unzweifelhaft das gleiche Gesicht. Der Rest des Zimmers war nur eine Ablenkung im Hintergrund. Isak gab dem Brennen in der Brust nach und schnappte nach Luft.
»Wa…«
»Sei still«, sagte eine ruhige Stimme. Isak drehte den Kopf leicht und sah, dass ein Mann im mittleren Alter neben ihm kniete. Ein grüner Flickenmantel und ein abgeschabtes Kettenhemd wiesen ihn als Waldläufer aus. Isak versuchte die Hand zu heben, doch es fühlte sich an, als bewege er die Gliedmaßen eines Fremden. Der Waldläufer wollte ihn auf dem Boden halten, aber Isak schüttelte seine Hand ab. Mit Mühe setzte er sich auf; er fühlte sich immer noch würdelos, weil seine Beine weit
ausgestreckt lagen. Doch war dies besser, als flach auf dem Boden liegen zu bleiben, wie eine ohnmächtige Magd.
»Kannst du stehen?«
Isak nickte. Er ignorierte die helfende Hand des Waldläufers und zog sich vorsichtig auf die Beine. Er zitterte immer noch etwas und versuchte es zu verbergen, indem er Dreck von seinem Hemd klopfte. Der Begleiter Lord Bahls schmunzelte. Sobald er davon überzeugt war, dass Isak sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, trat er vor, die Handflächen zum Gruß nach oben gerichtet. »Ich bin Lesarl. Zu Euren Diensten.«
Isak hörte die Worte kaum. Er musterte Lord Bahl, den Mann aus seinen Träumen. Unter einem weißen Umhang trug das riesige Weißauge eine mattgraue Rüstung – und auf den Rücken gebunden ein Breitschwert. Isak wäre fast wieder in Ohnmacht gefallen. Seine Träume waren immer so rätselhaft, so verschlüsselt gewesen – vielleicht um seinen Verstand zu schützen. Aber er wusste mit schrecklicher Sicherheit, dass dies das Gesicht war, das er immer für ausdruckslos und unmenschlich gehalten hatte. Jetzt ahnte er auch, warum: Bahls Maske trug die gleichen glatten, ausdruckslosen Züge einer Nartisstatue.
Er schüttelte den Kopf, um das Befremden abzustreifen, und wandte sich Lesarl zu. »Seid Ihr zu etwas nütze?«
Trotz des schnaubenden Lachens, das aus den Ecken des Raumes schallte, zeigte Lesarl nicht den Hauch einer Reaktion. Er hatte sich auch schon mit gerisseneren Geistern als einem Weißauge erfolgreich gemessen. »Euer Herr findet dann und wann etwas für mich zu tun. Ich bin der Haushofmeister.«
Seine Worte zeigten die erwünschte Wirkung. So eigenbrötlerisch die Wagenlenker auch waren, sie wussten doch alle, dass der Haushofmeister die Farlan regierte; wäre Isak nicht so benommen gewesen, er hätte sich vielleicht rechtzeitig an Lesarls Namen erinnert. Der Haushofmeister besaß umfassende Vollmachten
und konnte, wenn er es für nötig erachtete, in Lord Bahls Namen sprechen. Doch dem stand ein unschöner Tod gegenüber, wenn Lord Bahl jemals mit seinen Leistungen unzufrieden wäre. Dieser war kein Mann, den man beleidigen sollte.
Isak nickte dümmlich, denn er wusste nicht, wie er sich für seine Unflätigkeit entschuldigen sollte, aber Lord Bahl ging einfach darüber hinweg. »Wir können uns morgen darum kümmern, wer hier wer ist. Jetzt brauchst du erst einmal Schlaf. Du bekommst ein Zimmer im Turm. Komm.«
Der Lord der Stürme wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging vor.
Isak versuchte seinen Kopf zu klären. Die Aura des großen Mannes war beinahe spürbar und seine körperliche Präsenz war atemberaubend. Isak kam es so vor, als würde Bahl Macht – politische wie körperliche – geradezu ausstrahlen, die alle Menschen um ihn herum einhüllte. Bahl war weit über zwei Meter groß und für einen Farlan stämmig, aber jeder seiner Schritte wirkte elegant; er bewegte sich entschlossen und gezielt. Als sich Isaks Gedanken beruhigten, erinnerte er sich daran, dass Bahls Rüstung magisch war. Er konnte zwar keine Runen auf der Oberfläche entdecken, doch er wusste, dass sie irgendwo waren. Seine Kehle schnürte sich langsam zu, wenn er sich nur auf die milchige Oberfläche von Bahls Harnisch konzentrierte. Irgendwo tief in sich erkannte Isak diesen metallischen Geschmack wieder und gierte nach mehr davon.
Dann schossen seine Gedanken zurück zu dem, was Lord Bahl gesagt hatte. »Ein Zimmer im Turm? Ich verstehe nicht, mein Lord.«
Bahl blieb stehen. Er drehte sich um und zog die Schultern hoch, eine instinktive Bewegung. Dank Carels Ausbildung erkannte Isak, dass Bahl bereit war, das Schwert zu ziehen und zuzuschlagen,
wenn es nötig wurde. Isak konnte das massige Breitschwert schon fast vor sich sehen, und für einen Augenblick fragte er sich, ob es kein Trugbild
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