Sturmkaempfer
und unter dem Zauber ihres Lords stand. Andere betrachteten das Biest als Verkörperung von Nartis, die ihnen in Notzeiten half. Lesarl hatte diese Gerüchte nicht in die Welt setzen müssen, die Leute selbst waren schneller gewesen. Bahl fand das etwas traurig, auch wenn es vielleicht nützlich war.
»Zum Glück haben wir einen Vampir zu fangen!« Tebrans Lachen klang leer. »Das Leben wird für uns alle schwerer. Vielleicht sollten wir uns einfach betrinken und abwarten.«
Bahl lächelte matt. »Ich nehme die Einladung an. Sagen wir
Lesarl, er soll uns einige Spielleute besorgen oder Akrobaten, jemanden, der uns unterhält, während wir so lange trinken, bis uns alles gleich ist. Aber vorher muss ich etwas tun, für das ich meinen Verstand noch brauche.«
Als Bahl durch das oberste Stockwerk des Palastes ging, wurde ihm die trockene und leblose Atmosphäre zunehmend zuwider. Hier kamen nur wenige Leute hin, da die Gästezimmer für Adelige mit höfischem Rang auf einem niedrigeren Stockwerk lagen. Weder frisches Stroh auf dem Boden noch der Geruch von Bienenwachs halfen dabei, den Eindruck eines Tempels zu vertreiben, der verlassen war, aber noch voller stiller Andacht steckte.
Bahl ging zuerst in Isaks Räumlichkeiten, dann in die Bibliothek, wo er am Eingang innehielt. Er fuhr mit der Hand leicht über die verblassenden Malereien auf der doppelflügeligen Tür. Einer seiner erleuchteteren Vorgänger hatte dieses Bild angefertigt, das noch immer seine Botschaft für alle darstellte, die ihm nachfolgten. Es zeigte eine Gestalt, zweifellos den Lord selbst, das Schwert in der Scheide, wie er nur mit einer Handvoll Schriftrollen einer herannahenden Armee entgegentrat. Es war eine Nachricht, die Atro niemals gewürdigt hatte, trotz seiner Begehrlichkeit; wenige Weißaugen würden sie beherzigen.
Wie erwartet fand Bahl Tila im Innern vor. Sie starrte aus dem Erkerfenster, ein Buch lag vergessen in ihrem Schoß. Die Bibliothek war einst ein Tempel der verbliebenen Götter des Höheren Kreises gewesen, bevor der letzte Lord, der das Lernen über den Glauben gestellt hatte, ihn umwandelte. Wenige erkannten in dem Raum die Schatztruhe, die er war. Mehr als eintausend in Leder gebundene Bücher und verstaubte Schriftrollen waren in einem Land gesammelt worden, in dem Gelehrte durch die allgemeine Angst vor Ketzerei, Prophezeiungen und Magie gezwungen waren, im Verborgenen zu arbeiten. Und die Geschichte
dieses Landes war in Legenden und Fabeln versteckt. Wahrheit in Mythen vergraben. Durch die Dämonen und Aspekte – das waren örtliche Götter, die mächtigeren Gottheiten unterstanden –, die für einige Männer Teil des alltäglichen Lebens waren, hatten Wissen und das geschriebene Wort eine ebenso mächtige wie gefährliche Wirkung.
Durch ein Feuer, das zu seiner Linken im großen Kamin brannte, wurde die kalte Luft gemildert. Sogar mitten im Winter war die Bibliothek ein Rückzugsort, weit entfernt von der überfüllten und lauten großen Halle. Der Haushofmeister zündete das Feuer in der Biliothek stets zuerst mit einem brennenden Scheit aus dem ewigen Feuer in der großen Halle an. So wollte es die Tradition. Diese Tradition stammte noch aus der Zeit vor Bahl. Es war ein symbolischer Akt, den Lesarl bewusst aufrechterhielt.
Bahl ging zu dem Kamin hinüber und legte einige Scheite nach. Die Geräusche erschreckten Tila, also sprang sie auf, wobei das Buch auf den Boden fiel. Sie zuckte zusammen, denn sie wusste nur zu gut, wie viel jedes Buch wert war.
»Mein Lord«, setzte sie an, doch er brachte sie mit einem Blick zum Verstummen und zog sich dann einen der schweren Eichenstühle näher ans Feuer und bedeutete ihr, das Gleiche zu tun. Er lehnte sich vor, um die trübsinnige Kälte aus seinen Knochen zu vertreiben.
»Wir sollten uns unterhalten«, sagte er sanft. Tila saß aufrecht da, die Hände fest im Schoß geschlossen, und wartete darauf, dass er weitersprach. Doch Bahl betrachtete sie erst einen Augenblick. Das Mädchen trug mehr Schmuck, als Lesarl üblicherweise gestattete, aber da das meiste davon religiöser Natur war, sagte Bahl nichts dazu. Für eine Farlan waren ihre hellen Augen ungewöhnlich, ein sanftes Nussbraun mit gelben Sprenkeln; Augen, die eher für die Freude als für die Trauer geeignet waren.
»Ihr steht meinem Krann nahe.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Ja, mein Lord. Er … Lord Isak verlangt nicht viel von mir, nur dass ich ihm alles beibringe, was
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