Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Abbasiden.
    Tarik erwog kurz, seine Binde zu lüften und einen Blick mit Amaryllis’ Auge auf dieses Wunderwerk der Baukunst zu werfen. Aber dieselbe Furcht, die ihn davon abgehalten hatte, die Stadtviertel damit aus der Luft zu betrachten, hielt ihn auch jetzt wieder zurück. Die Sonne stand hoch am Himmel, alles war lichtdurchglüht und strahlend hell. Falls ihn der Schmerz nicht gleich umbrächte, so würde er ihn doch schreiend vom Teppich schleudern.
    Er wollte abwarten, bis es dunkel war. Bei Nacht konnte er das Wagnis eingehen, aber nicht jetzt und erst recht nicht vor den Augen der Soldaten, die nur auf einen Anlass warteten, den unliebsamen Streuner an der Seite der Vorkosterin loszuwerden.
    Sie passierten mehrere Landeplattformen, die wie weitläufige Balkone aus den Mauern des Palastes ragten, umrahmt von kunstvollen Geländern, die Böden mit farbigen Kacheln gefliest. Schließlich hielt der Hauptmann auf eine Halle zu, die keine Außenwand besaß und nur durch federleichte Seidenschleier vor den Blicken der Patrouillen geschützt war.
    Dunkelhäutige Sklaven zogen die Vorhänge an goldenen Kordeln beiseite, als der Trupp um Sabatea und Tarik ins Innere schwebte und am Rand des weiten Saales aufsetzte. Tarik verspürte starken Widerwillen, als er die Hand aus dem Muster zog.
    Er hatte nicht erwartet, dass man sie geradewegs in den Audienzsaal des Kalifen geleiten würde. Zweifellos erstrahlte jede Halle dieses Palastes in ausgesuchter Eleganz und Schönheit, und doch war augenfällig, dass es sich bei diesem Saal um etwas ganz Besonderes handelte.
    Ein goldener Thron erhob sich am anderen Ende eines langen, meerblauen Teppichstreifens, der von der äußeren Balustrade und den hohen Seidenvorhängen bis zur rückwärtigen Wand und ihrer erhöhten Säulengalerie reichte.
    Wächter mit spitzen Helmen und aufgepflanzten Schwertlanzen flankierten den Weg zum Thron. Schießscharten in den Seitenwänden kündeten von verborgenen Bogenschützen.
    Es gab zahlreiche Bedienstete in farbenfroher Kleidung; Eunuchen in weibischem Anputz; glutäugige Palastmädchen mit Schleiern, die beinahe mehr verbargen als ihre hingehauchten Kleidchen; Vögel mit buntem Gefieder, die ungestört über Bodenmosaike und Teppiche stolzierten; und schließlich die beiden Männer vor der Säulengalerie, einer auf dem Thron, der andere daneben, die eine imposante Aura der Macht umgab.
    Ein hoher Offizier der Garde eilte herbei, nahm den geflüsterten Bericht des Hauptmanns entgegen und eilte den blauen Teppich entlang, ein schier endloser Weg, der Tarik genug Zeit gab, sich darüber klar zu werden, dass er nicht hierher gehörte. Dass er, genau genommen, ein Verbrecher war, der an Orten wie diesem allerhöchstens mit dem Henkersschwert rechnen musste, nicht mit Toleranz oder Vergebung.
    Sabatea blieb neben ihm stehen. Ihre Fingerspitzen berührten noch immer die seinen. Zögernd zog er seine Hand zurück, weil er ahnte, dass der erste Eindruck, den der Kalif von dem Geschenk des Emirs bekommen sollte, besser nicht der einer Schmugglerdirne war.
    Sie warf ihm einen verzweifelten Seitenblick zu, und da erst begriff er, wie groß ihre Angst war. Sie war nicht aus freien Stücken hier, das hatte sie bereits beteuert. Doch wenn es eines letzten Beweises bedurft hätte, so war es die Panik, die jetzt in ihren Augen loderte. Sie war bleich wie ein Gespenst, selbst nach all den Tagen in der Wüstensonne. Sogar ihre Lippen hatten jede Röte verloren.
    »Sie werden dir nichts tun«, flüsterte sie ihm zu, und er fragte sich, ob das nicht eigentlich von ihm hätte kommen müssen. »Ich werde das nicht zulassen.«
    »Dein Wort in des Kalifen Ohr«, entgegnete er leise. Das Beste, auf das er hoffen konnte, war, dass man ihn schleunigst vergaß, vielleicht mit einer Handvoll Dinar abspeiste und rasch von dannen ziehen ließ.
    Nur dass ein Teil von ihm das gar nicht wollte. Er gehörte zu ihr, das wurde ihm mit jedem Augenblick schmerzhafter bewusst. Er wollte ihre Hand halten. Wollte sie beschützen. Wollte ihr endlich sagen, was er für sie empfand.
    Der Offizier erreichte das Ende des blauen Teppichs. Er wirkte jetzt verschwindend klein, nicht allein aufgrund der Entfernung, sondern weil die Präsenz der beiden Männer dort vorn ihn überlagerte wie ein Sonnenaufgang die Flamme einer Öllampe. Er verscheuchte eine Gruppe Bittsteller, die gerade ihr Anliegen vorgebracht hatte, sank auf die Knie, neigte das Haupt bis zum Boden und meldete, was er vom

Weitere Kostenlose Bücher