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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ergriff er sie, um sie nicht wieder loszulassen.
    Wohin auch immer ich gehen werde und was ich auch tun muss – ich werde deine Hilfe brauchen. Ihre eigenen Worte, nicht lange her.
    Sie schwiegen, während die Falkengarde sie nach Bagdad geleitete.

 
Harun al-Raschid
 
 
    »So viele fliegende Teppiche!«
    Sabateas Worte waren nur ein Flüstern, aber nicht einmal das konnte verbergen, wie verblüfft sie war. Fasziniert und, ja, sogar eingeschüchtert. Wie ein Kind, das zum ersten Mal begreift, dass die Wunder der Welt die eigene Vorstellungskraft bei weitem übertreffen.
    In Samarkand wurde das Fliegen auf magischen Teppichen mit dem Tod bestraft. Hier in Bagdad aber waren sie ein Transportmittel wie jedes andere, und wer sich einen der kostbaren Teppiche leisten konnte und die Fähigkeit besaß, ihn zu lenken, der nutzte ihn wie andere ihre Maulesel. Bunte Rechtecke schwebten kreuz und quer über der Stadt, wie ein Schwarm Fliegen auf süßem Sirup.
    Seit der Begegnung mit der Falkengarde drehten sich Tariks Gedanken im Kreis. Und doch konnte er nicht umhin, dem Anblick Bagdads staunenden Respekt zu zollen. So war es immer gewesen, am Ende jeder seiner Schmuggelreisen durchs Dschinnland. Nach wie vor war er nicht sicher, ob er diesmal als Gast oder Gegner kam; was ihn allerdings wahrlich gefangen nahm, weit nachdrücklicher als jeder Bewaffnete, war das magische Panorama Bagdads unter der glühenden Wüstensonne.
    Die Stadt des Kalifen war erst wenige Jahrzehnte alt, von einem Vorgänger Harun al-Raschids aus Persiens endloser Sandsee gestampft und innerhalb kurzer Zeit zu einem Juwel des Morgenlandes gereift. Am Westufer des Tigris, in einer geschwungenen Biegung des Flusslaufes, hatte man einen runden Mauerwall errichtet, groß genug, um Zehntausende zu beherbergen. Rauchfahnen ungezählter Herdfeuer stiegen dahinter auf wie Säulen, die den Himmel stützten.
    Der Wall um die Stadt erwies sich beim Näherkommen als doppelter Ring aus zwei hohen Lehmziegelmauern, zinnengekrönt, mit einhundert Türmen bewehrt und von vier wuchtigen Toren durchbrochen. Zwischen den beiden Mauerkränzen erstreckte sich ein Streifen Ödland, um angreifende Armeen einzukesseln und von ihrem Nachschub an Kriegern und Waffen abzuschneiden.
    Auf die zweite Mauer folgte ein breites Band aus dicht gedrängten Häusern, eng verschachtelt und in der Mittagssonne strahlend weiß. Mitten durch diesen Irrgarten aus flachen Dächern und schulterbreiten Gassen führten geräumigere Straßen sternförmig zu einer dritten Mauer, die die Palastgärten im Herzen Bagdads von den Quartieren des einfachen Volks, seinen überfüllten Basaren, seinem Schmutz, Gestank und Gesindel trennte. Im Zentrum der weitläufigen Gärten und im exakten Mittelpunkt der Runden Stadt erhob sich der Herrscherpalast mit seinen zahllosen Zinnen und schimmernden Zwiebeltürmen, daneben die reich verzierte Kuppel der Kalifenmoschee.
    Tarik betrachtete all dies aus der Ferne und dachte, dass der Unterschied zu Samarkand kaum größer hätte sein können. Seine Heimatstadt am Fuß der Pamirberge war über Jahrhunderte gewachsen, errichtet auf den Schultern vieler Völker und ungezählter Generationen. Bagdad hingegen glich dem Werk eines Zuckerbäckers, innerhalb weniger Jahre geformt, geschmückt, gekrönt. Doch alles, was daran hätte falsch sein müssen – die Schnelligkeit seiner Entstehung, die Kraft, die es das Volk gekostet hatte, selbst all die Reichtümer, die es verschlungen hatte –, gereichte ihm auf sonderbare, schwer zu erfassende Weise zum Vorteil. All der Schweiß, das Blut, die Tränen hatten die Wüste fruchtbar, die Menschen zufriedener und die Herrschenden noch mächtiger gemacht.
    Harun al-Raschid übertraf all seine Vorgänger an Bewunderung. Man lobpreiste seine Weisheit, sein ruhiges Gemüt und die Liebe zu seinem Volk. Harun hatte Bagdad weder entwerfen noch erbauen lassen, und doch erschien er jedermann als die Verkörperung dessen, was groß und gut und staunenswert daran war.
    Seit die Teppichreiter das Gebirge verlassen hatten, bildeten sie eine gleich bleibende Formation: Tarik und Sabatea in der Mitte, vor ihnen zwei, dahinter drei Gardisten. Die Soldaten hatten ihnen etwas von ihrer Verpflegung abgegeben, Fladenbrot und getrocknetes Fleisch. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sich Tarik wieder einigermaßen satt.
    Sie überflogen die dünn besiedelten Bezirke außerhalb der Runden Stadt. Manche bestanden nur aus vereinzelten Gehöften mit

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