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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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der Rennen fürchtete er die Garde des Emirs genauso wenig wie die Milizionäre der Ahdath. Sein Vater Jamal hatte dem Emir gute Dienste geleistet, indem er für ihn Schmuck und Kleinode aus Bagdads berühmtesten Manufakturen durchs Dschinnland herangeschafft hatte. Tarik selbst hatte ähnliche Aufträge für Kahramans Strohmänner erledigt.
    Ganz anders sah es jedoch aus, wenn man ihn uneingeladen im Palast ertappte. Erst recht mit einem – ja, was? Haremsmädchen des Emirs?
    Er ließ den Teppich einmal hoch über den Türmen und Flachdächern kreisen, dann deutete er hinab auf einen der Innenhöfe.
    »Der da unten?«
    Er hielt die Hand dicht über das Gewebe, für den Fall, dass sie doch noch versuchen würde, das Muster unter ihren Einfluss zu bringen. Aber sie schüttelte nur den Kopf. »Dort, der kleine Hof mit den Kabbadbäumen.«
    Er nickte nachdenklich. Doch statt die Stelle auf geradem Weg anzufliegen, ging er tiefer und suchte sich eine komplizierte Route über Höfe, Kuppeln und Dächer, die von den Türmen beschattet wurden. Mit etwas Glück verhinderte die Dunkelheit, dass irgendwer auf sie aufmerksam wurde.
    Im Mondschein öffnete sich unter ihnen ein staubiger Platz, auf dem sechs unbeschirrte Pferdewagen standen, die Dächer beladen mit Ballen und Fässern. Die winzigen Fenster in den Türen waren vergittert, an der Außenseite gab es keine Riegel.
    »Wofür sind die?«, fragte er.
    »Kahramans Karawane«, flüsterte sie.
    Er fragte nicht weiter, weil sie im selben Moment ins Blickfeld einiger Turmwächter gerieten. Hastig schwenkte er den Teppich unter eine verlassene Säulenarkade. Mit einer Geste bedeutete er Sabatea, keinen Laut von sich zu geben. Falls Patrouillen in der Nähe waren, wollte er sie rechtzeitig hören.
    Ohne einer Menschenseele zu begegnen, erreichten sie das Ende der Säulen, schwebten über ein Dach im Schatten der Palastmoschee und sanken wenig später auf den winzigen Innenhof hinab, den Sabatea ausgewählt hatte. Kabbadzitronen wuchsen an knorrigen Bäumen. Jasmin floss in üppigen Kaskaden an den Hauswänden hinunter. Ein Brunnen plätscherte leise.
    Sie wartete nicht, bis er sie auffordern konnte abzusteigen. Der Teppich schwebte noch anderthalb Meter über dem Boden, als sie ihren Griff um Tarik löste und geräuschlos über den Fransenrand glitt. Ihr offenes Haar streifte seinen Unterarm. Er bekam bei der Berührung eine Gänsehaut und hoffte, dass sie es nicht bemerkte.
    »Leb wohl«, sagte er.
    Sie drehte sich nicht zu ihm um, sagte kein Wort. Schnell wie ein Schatten huschte sie davon, tauchte unter den Jasminvorhängen hindurch und war gleich darauf verschwunden. Nur ein Nachhall ihres stummen Vorwurfs blieb unter den Bäumen zurück wie ein kühler Luftzug, der das Laub erzittern ließ.
    Er hätte gern noch einmal ihre Augen gesehen.
    Tarik schenkte der Finsternis ein Lächeln und gab dem Muster Befehle. Durch Zitronendüfte und Laubgewisper schoss der Teppich hinauf in die Nacht.

 
Ein Ballen Drachenhaar
 
 
    Am nächsten Abend hörte Tarik erneut von der Karawane des Emirs.
    Schon bei Anbruch der Dämmerung begann ihn der gepanschte Wein in Amids Taverne anzuwidern. Vielleicht war die Erinnerung an den Geschmack von Sabateas Haut zu frisch. Die Tänzerinnen, die sich um Amids klebrige Tische schlängelten, erschienen ihm billig und schrill. Das Stimmengewirr schmerzte in seinen Ohren. Ein Ritt auf dem Teppich hätte ihm womöglich die nötige Ruhe verschafft, aber an Stelle des Lärms wären dann die Erinnerungen getreten. Vor den Stimmen in der Taverne konnte er davonlaufen, nicht aber vor denen in seinem Kopf.
    Trotzdem hörte er zu, als Amid ihm erzählte, was ihm am Nachmittag zu Ohren gekommen war. Offenbar plante der Emir, seine Vorkosterin als Geschenk an den Hof des Kalifen zu schicken. Auf eine Reise quer durch das Dschinnland nach Bagdad. Zur Feier ihres Aufbruchs waren Straßenfeste angekündigt, sogar ein öffentlicher Auftritt Kahramans.
    »Wenn sie durchs Dschinnland gehen«, sagte Tarik, »werden sie alle sterben. Egal, wie viele Soldaten Kahraman ihr mit auf den Weg gibt.«
    »Möglich.« Amid balancierte in jeder Hand einen bauchigen Krug. »Falls es dort draußen noch Dschinne gibt. Anscheinend glaubt Kahraman nicht daran. Er hofft, sich mit einem so wertvollen Geschenk beim Kalifen einzuschmeicheln. Für den Fall, dass die Seidenstraße nach Westen wieder geöffnet und alles so sein wird wie früher.«
    Tarik schüttelte langsam den Kopf. Der

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