Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
nicht mehr geschlafen, und sein Körper ließ es ihn spüren: Er war außer Atem, als sie endlich die obersten Stufen erreichten. Jeder Muskel in seinem Leib fühlte sich hart und verknotet an und drückte ihm zusätzlich die Luft ab. Den Kampf mit den Wächtern hatte er wie in einem Rausch erlebt, aber das hier war etwas anderes. Stupides, monotones Treppensteigen, das kein Ende nehmen wollte. Unter gewöhnlichen Umständen hätte es ihm nichts ausgemacht, aber nach allem, was in den vergangenen Stunden geschehen war, raubte es ihm die letzte Kraft.
Er zweifelte nicht, dass genau das in Khalis’ Absicht gelegen hatte.
Als sie auf die Turmplattform traten, drehte der Magier sich mit einem Lächeln zu ihnen um. Keine Atemnot, nicht einmal ein Schweißfilm auf seiner gefurchten Stirn.
»Hier oben sind wir ungestört«, sagte er.
Sabatea trug jetzt ein weißes Wams, das bis auf die Oberschenkel ihrer dunklen Wollhosen fiel. Die purpurne Weste, die man für sie bereitgelegt hatte, war eine Spur zu eng und schmiegte sich fest um ihren Oberkörper. Die Säume waren mit Stickereien umfasst. Ihr schwarzes Haar hatte sie lose mit einer Spange am Hinterkopf festgesteckt. Einzelne Strähnen spielten um ihr Gesicht, als der warme Morgenwind aus der Wüste über die Turmplattform wehte. Die Wunde an ihrer Hand war mit einem Verband umwickelt. Sie war ebenso erschöpft wie Tarik, und wie er gab sie sich vergeblich Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen.
»Ist Bagdad nicht eine wundervolle Stadt?« Der Hofmagier trat an die Zinnen. Sie hatten die Form stilisierter Blütenkelche. Weißer Sand hatte sich in den Vertiefungen abgelagert. »Die Baupläne waren schon fertig, als die Wilde Magie über die Welt hereinbrach und uns die Dschinne brachte. Es war einer von al-Mansurs größten Verdiensten, dass er trotz allem nicht davon abgerückt ist und innerhalb weniger Jahre dieses Juwel aus der Wüste stampfen ließ. Eine Festung gegen die Dschinne sollte die Stadt sein, ein Leuchtfeuer der Stärke und Macht inmitten all der Hoffnungslosigkeit.« Er seufzte. »Und nun wird sie einfach überrannt werden, genau wie all die anderen Städte. Es wird so kommen wie weiter unten im Süden, wenn es uns nicht gelingt, ein Wunder zu wirken.«
»Was für ein Wunder könnte die Dschinne noch aufhalten?«
»Nur das größte von allen, ganz ohne Frage.«
Tarik folgte dem Blick des Magiers über die Palastgärten hinweg auf das Meer der Dächer und Türme. Die aufsteigende Sonne stand zwei Handbreit über dem Wüstenhorizont, und das morgendliche Rotgold wandelte sich allmählich zum Glutweiß des Tages. Schwärme von fliegenden Teppichen schwebten kreuz und quer über der Stadt. Die allermeisten wurden von Falkengardisten gelenkt, einige hatten Tiergestalt angenommen; offenbar war der Befehl ausgegeben worden, dass niemand außer den Soldaten aufsteigen durfte. An mehreren Orten sah Tarik, wie Gardepatrouillen zivile Teppiche zur Landung zwangen. Die Lage verschärfte sich zusehends, nun, da beinahe täglich mit dem Angriff der Dschinnheere gerechnet werden musste. Längst durfte niemand mehr die Stadtgrenzen passieren, und es war nur folgerichtig, auch den Himmel über Bagdad abzuriegeln.
Der Palast selbst wurde von Dutzenden Gardeteppichen bewacht. Die meisten schwebten reglos in der Luft und waren mit jeweils zwei Soldaten besetzt. Einer hatte die Hand im Muster versenkt, der andere hielt Pfeil und Bogen griffbereit.
Keine Patrouille näherte sich dem Turm auf weniger als fünfzig Schritt.
»Ich bin oft mit Harun hier heraufgekommen«, sagte Khalis fast ein wenig wehmütig. »In einem Palast wie diesem haben die Wände Ohren, aber hier oben hört einen nur der Wind.«
Während Tarik sich gewaschen hatte, waren Diener herbeigeeilt und hatten auch ihm neue Kleidung gebracht; das Schwert des Wächters hatten sie mitgenommen. Nun trug er ein weißes Hemd, darüber ein dunkelbraunes Wams mit kurzen Ärmeln. Rund um den Ausschnitt war es nach alter Sitte mit winzigen Schriftzeichen bestickt, der Anrufung Allahs und einem Segen für den Kalifen. Zu seiner weiten Leinenhose hatte man ihm als Gürtel einen breiten Seidenschal in dunklem Türkis überreicht, und er fragte sich, ob das Zufall war. In Persien, weit mehr noch als daheim in Khorasan, sprach man den Farben der Kleider Bedeutungen zu. Türkis war die Farbe gegen den bösen Blick.
Seine Augenklappe war noch immer mit getrocknetem Blut besudelt, aber er hatte nicht gewagt, sie bei
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