Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
dass der Mann wie ein Falkengardist gekleidet war: Er trug einen Halbschalenhelm, am Rand mit rotem Stoff überzogen und geschmückt mit einer langen Feder. Sein Kettenhemd schimmerte silbrig, seine roten Hosenbeine steckten in hohen Stiefeln. An seiner Seite hing eine Sichelaxt mit langem Schaft, die er in diesem Augenblick mit links aus der Lederschlaufe zog. Nun hielt er in jeder Hand eine Waffe, und Sabatea begriff allmählich, dass diese Drohung nicht ihr galt.
»Es muss hier drinnen sein«, flüsterte er.
»Was muss hier sein?«
Sein Atem raste, als wäre er die Fassade heraufgeklettert und nicht mit dem Teppich über die Balustrade hereingeschwebt. »Kali-Assassinen«, sagte er leise. »Sie haben den Palast angegriffen, mindestens vier. Zwei haben wir draußen abgefangen, und zwei sind -«
Er wurde von wildem Kreischen unterbrochen, das aus dem Nebenzimmer drang, nur wenig gedämpft von der Zwischenwand und gefolgt von einem entsetzlichen Getöse, dann den Schreien mehrerer Männer und Frauen. Stahl schlitzte durch Fleisch, gefolgt von einer Kette glucksender Laute wie von einem Kind, das Affengelächter imitiert. Sabatea lief es eiskalt den Rücken hinunter.
Der Gardist, dessen Gesicht noch immer im Dunkeln lag, wirbelte zum Eingang herum. »Wenn ich draußen bin, dann schieb etwas von innen gegen die Tür. Die Kiste da vorn.«
Sie nickte und sprang auf. Der Saum des kostbaren Nachtgewandes schwebte an ihren Beinen herab. Ihre Fußsohlen berührten den Marmorboden. Er kam ihr kälter vor als vorhin.
Ganz kurz sah sie im Schatten das Gesicht des Soldaten. Er war noch jung, sein Bart kaum mehr als ein dunkler Flaum an Kinn und Wangen. Aber in seinen Zügen lag Verbissenheit. Falls er sich vor den unmenschlichen Lauten aus dem Nebenzimmer fürchtete, so zeigte er es nicht.
»Pass auf dich auf«, gab sie ihm mit auf den Weg und wusste selbst nicht recht, warum. Er tippte die Klinge zum Dank an seinen Helm, dann war er fort, durch den hellen Spalt verschwunden. Sie drückte die Tür hinter ihm zu – auf ihrer Seite gab es keinen Riegel – und schob die Kiste davor. Aufhalten würde sie damit niemanden, denn die Kiste war leer; Sabatea besaß nichts, das sie hätte hineinlegen können.
Sie wich zur Mitte des Raumes zurück, wo noch immer der ausgebreitete Teppich des Gardisten lag. Ihr nackter Fuß berührte Feuchtigkeit. Blut war ins Knüpfwerk gesickert, zu viel davon, als dass es von dem Soldaten hätte stammen können. Er musste da draußen einen Gefährten verloren haben.
Die Geräusche hatten sich jetzt aus dem Nebenzimmer auf den Flur verlagert. Noch mehr Stimmen und immer wieder dieses schnarrende Affenlachen. Klingen klirrten aufeinander, und erneut schrie ein Mensch. Sie erkannte nicht, ob es der Soldat aus ihrem Zimmer war.
Die Laute kamen näher, bewegten sich den Korridor entlang auf ihr Gemach zu. Unmittelbar vor der Tür erreichte das Gefecht einen Höhepunkt, als weitere Männer eintrafen und sich auf den Gegner stürzten. Sabateas Herzschlag pochte dumpf in ihren Ohren. Unbewusst hatte sie eine Hand in ihr Nachtgewand verkrallt und zog es straff nach unten, bis es am Ausschnitt zu reißen drohte.
Kali-Assassinen.
Sie trat in die Mitte des Teppichs und überlegte nicht lange. Ein Körper polterte gegen die Tür, und für einen Augenblick sah es aus, als würde sie nach innen gedrückt. Ein helles Rechteck erschien um die Ränder und verblasste wieder. Das scheußliche Gelächter ertönte hinter dem Holz, dann erklang wieder das Schlitzen und Reißen, als weitere Wachsoldaten herbeistürmten. Zu viele Schwerter für einen einzelnen Angreifer. Es klang wie ein Scharmützel zwischen zahlreichen Gegnern auf beiden Seiten, nicht wie ein Attentäter im Kampf gegen viele.
Sie zögerte nicht länger, sank auf die Knie und stieß mit einer stummen Beschwörung die Hand ins Muster. Der Teppich wellte sich unter ihr in einem leichten Protest, dann akzeptierte er ihre Berührung und fügte sich. Sie ließ ihn eine Handbreit vom Boden aufsteigen, erst nur ein Versuch, um sicherzugehen, dass er ihr im Ernstfall gehorchen würde.
So kauerte sie da, in der Mitte des Teppichs, die offene Balustrade in ihrem Rücken, das Gesicht der Zimmertür zugewandt. Falls irgendwer, irgendetwas das Gemach beträte, würde sie sofort über den Balkon ins Freie fliehen.
Kurz spielte sie mit dem Gedanken, sich einfach davonzumachen. Die Aufregung auszunutzen. Aber wohin sollte sie gehen, gekleidet in ein
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